Im Glaubensleben

Im Bibliodrama wird die Bibel körperlich spürbar

mit Claudia Mennen, Pastoraltheologin

Nehmen wir die Geschichte aus dem Lukas-evangelium: eine Frau, die mit krummem Rücken umherläuft. Sie ist gezeichnet und stigmatisiert. Jesus legt ihr die Hände auf, und da kann sie sich aufrichten. Jesus scheut keine Nähe, auch die körperliche nicht. 

Wenn Menschen sich heute mit biblischen Geschichten auseinandersetzen, haben sie nicht selten auch Sehnsucht nach einer sinnlichen Erfahrung mit Leib und Seele. Zumindest jene, die zum «Bibliodrama» kommen. Die Methode des «Bibliodrama» geht auf Nico Derksen und Frans Andriessen zurück und wurde in den 1970er Jahren in den Niederlanden entwickelt, zeitgleich in Deutschland. Das Besondere: Im «Bibliodrama» machen Menschen Erfahrungen, indem sie körperlich eine Rolle in einer Bibel-Geschichte übernehmen. Wie geht das?

Die Geschichte wird gelesen und miteinander besprochen: Welche Sehnsucht löst sie aus? Welche Rolle darin zieht mich an? Dann wird die Geschichte im Raum «verankert», wie auf einer Bühne. Im Beispiel von der gekrümmten Frau könnte es einen Ort geben, an dem sich die Frau und Jesus begegnen. Einen Ort, wo das Volk steht, einen, an dem der Synagogenvorsteher Jesus verbieten will, am Sabbat zu heilen. Die Teilnehmenden betreten nun diesen «Textraum». Sie entscheiden sich leibhaft für eine Rolle. Dann treten sie miteinander in Kontakt. In diesem Moment wird die persönliche leibliche und seelische Erfahrung aktiviert. 

«Bibliodrama» heisst, sich zu bewegen – dadurch lösen sich geistliche und körperliche Verfestigungen. Das könnte dann so aussehen: Die gekrümmte Frau traut sich plötzlich vom letzten Platz in der Synagoge in die Mitte. Das wiede-rum ermutigt jemanden aus dem Volk, sich mit den eigenen Verkrümmungen zu zeigen. Er stellt sich neben die Frau – das passiert dann aus dem Moment heraus, obwohl es in der Bibel-Geschichte nicht so erzählt wird. Dann lässt sich vielleicht Jesus bewegen von diesem Mut. Nachdem er beiden die Hände aufgelegt hat, lässt er sich selbst – im Gegensatz zur biblischen Geschichte – die Hände auflegen. 

«Bibliodrama» eröffnet einen Raum, mit Nähe und Körperlichkeit zu spielen. Beziehungen und Verbindungen werden im Raum sichtbar und Fragen dürfen gestellt werden: Habe ich Kontakt mit meiner Sehnsucht? Mit anderen, die diese Sehnsucht teilen? Kann ich das zeigen? Wie nahe traue ich mich an den heran, von dem ich weiss, dass in der Begegnung mit ihm Lebendigkeit zu finden ist?

Text: Claudia Mennen