Leistungssport heisst, den eigenen Körper kennen

Im Sport

Leistungssport heisst, den eigenen Körper kennen

mit Heiner Müller, Trainerausbildner in Magglingen

Kann man vom eigenen Körper Höchstleistungen abverlangen und gleichzeitig gut auf ihn achten? – «Ja», sagt Heinz Müller. Der 57-Jährige ist in der Trainerbildung der Eidgenössischen Hochschule für Sport in Magglingen, ist Dozent für Sport-Coaching und selbst ehemaliger Leistungssportler. Privat arbeitet er als Mental-Coach, zum Beispiel bereitet sich die Skilangläuferin Nadine Fähndrich mit ihm auf Weltcups und Olympische Spiele vor. Einiges an Erfahrung und Wissen steckt also im «Ja» von Heinz Müller: «Den eigenen Körper gut zu kennen, die mentalen Fähigkeiten zu kennen – das ist die Basis, um überhaupt eine Spitzenleistung erbringen zu können.»

Im Sport ist der Weg zum Ziel meist mit einer Beziehung verbunden: zum Trainer oder zur Trainerin. Heinz Müller beschreibt das Training als «einen permanenten Feedback-Prozess», in dem der Athlet seinen Körper über die Jahre sehr gut kennen lernt und die Trainerin stark darin sein muss, ihr Gegenüber wahrzunehmen: Wie läuft der Athlet oder wie steht er, wie bewegt er sich, wie ist seine Mimik und Gestik, was sagt er? «Als Trainer bin ich immer angewiesen auf diese Selbsterkenntnis der Athletinnen und Athleten – sie sind die primäre Instanz.»

Seit 25 Jahren unterrichtet Heinz Müller nun in Magglingen, einer Institution des Schweizer Sports. «Immer schon» sei in der Ausbildung von Trainerinnen und Trainern darüber gesprochen worden, wie das gehen könne, eine gute Nähe zu finden und einen Umgang mit dem Körper, der nicht ausbeuterisch ist. Mit den Magglingen-Protokollen traten 2020 acht Schweizer Athletinnen an die Öffentlichkeit, die körperliche Ausbeutung erlebt hatten. «Richtig und wichtig» sei dieses Outing gewesen, durch das auf beiden Seiten – bei Trainern wie bei Athletinnen – die Sensibilität gewachsen sei.

Diese «Sensibilität» beginnt für Heinz Müller bei der Sprache. Wie spreche ich überhaupt? «Passiert es, dass jemand angeschrien wird, dann hat das ebenfalls eine körperliche und eine psychische Auswirkung, und zwar ganz ohne Berührung.» Von der Sprache geht es weiter zur Reflexion: Kann ich sagen, wie es mir geht, was ich brauche? Wo eine Grenze ist? Spreche ich als Trainerin an, dass ich die Athletin womöglich berühren muss, wenn sie beim Stemmen der Hanteln in eine Schieflage kommt? Kläre ich zu Beginn des Trainings, wo-rin ich meine Aufgabe sehe – und ob das für den Athleten in Ordnung ist? Höchstleistungen beginnen also bei dieser Disziplin.

Text: Veronika Jehle