Seine Passion fürs Theater ist so gross wie die Leidenschaft für Seelsorge

Porträt

Seine Passion fürs Theater ist so gross wie die Leidenschaft für Seelsorge

Am Vormittag Theaterprobe, am Nachmittag Besuche im Altersheim: Fredy Kuttipurathu verbindet in seinem Berufsleben verschiedene Welten. 

Im kühlen, fensterlosen Raum des Langnauer «turbine theater» stolziert Fredy Kuttipurathu mit geschwellter Brust über die Bühne und ruft: «Gurr, gurr … Wer hät jetzt grad dä Stei grüert? Ich weiss ja, Tube sind nöd grad die beliebtischte Ziitgnosse …» Heute wird hier intensiv fürs «Theater im Märliwald» geprobt, das im Juli im Besucherzentrum Sihlwald für Gross und Klein aufgeführt wird. «Versuch, gut auf beiden Beinen zu stehen!», ruft Regisseur Nico Jacomet. «Und verlagere das Gewicht wie kleine Kinder, etwas tapsig …» Fredy Kuttipurathu als Taube und Roxane Kalt als Eichhörnchen wiederholen und wiederholen die vierminütige Szene – und produzieren schon jetzt bei der anwesenden Crew gekonnt die vorgesehenen Publikumslacher. 

Dieser vorlaute Bühnen-Täuberich spricht ausserhalb des Theaters ruhig, fast leise, aber mit innerer Überzeugung. «Ich bin eher introvertiert, aber sobald ich etwas spielen, singen oder performen kann, trete ich aus mir heraus und erlebe dabei eine grosse Freiheit. Schon als Kind machte ich das mega gern!», sagt Fredy Kuttipurathu. In der Sekundarschule riet ihm ein Lehrer, eine Theaterschule zu besuchen, weil sein Talent unübersehbar war. «Das fand ich toll», erinnert sich Kuttipurathu. «Aber schon damals war für mich das Thema Religion und Glaube sehr interessant. Warum glauben Menschen? Was bedeutet Religion für die Gesellschaft? Was steckt dahinter? Ich wollte lieber Theologie studieren.» Er sei in einer sehr religiösen Familie aufgewachsen und in Herz Jesu Oerlikon als Ministrant aktiv gewesen. Nach dem Gymnasium begann er das Theologiestudium in Chur und Jerusalem und absolvierte anschliessend sein Pastoraljahr in St. Theresia Friesenberg. «Erst jetzt, während meiner Arbeit als Seelsorger, merkte ich, dass mir etwas fehlt», sagt Kuttipurathu. «Seit der Sekundarschule war das kein Thema mehr gewesen. Da bekam ich zufällig Freikarten für die Musical-Aufführung ‹Io senza te›. Als ich dort im Theater 11 sass und den Darstellerinnen und Darstellern zusah, merkte ich: Stimmt, da war ja noch etwas anderes neben der Theologie, das mich faszinierte!» Am selben Abend habe er im Internet nach Ausbildungen gesucht und fand die «Stage Art Musical and Theatre School SAMTS» in Adliswil. «Ich habe mich sofort beworben und dann vier Jahre lang die berufsbegleitende Ausbildung -besucht.» Und dann war ihm klar: «Ich will noch mehr in die Kunst investieren.» So arbeitet er jetzt 20 Prozent in St. Franziskus Zürich als Seelsorger in zwei Altersheimen und ist auch immer wieder als Aushilfsspitalseelsorger unterwegs. Daneben hat er wechselnde Engagements in Theater oder Musicals, ab und zu einen Sprecherjob, dazu theaterpädagogische Projekte in Schulklassen zur Prävention vor sexualisierter Gewalt. «Jeder Tag ist anders», sagt er. «Das braucht eine sorgfältige Planung, aber gefällt mir sehr.» 

Sich voll einlassen

Theater und Seelsorge sind für Kuttipurathu zwei Seiten einer Medaille: «Auf der Bühne wie im Pflegeheim lasse ich mich voll auf eine Situation ein», erklärt er. «In der Seelsorge bin ich ganz bei der anderen Person, schaue was in ihr ist, überstülpe nichts von mir, sondern suche mit ihr nach Perspektiven und ihren eigenen Ressourcen.» In der Kunst hingegen sei er ganz bei sich selber, in der Figur und der Situation. «Das ergänzt sich mega gut.» Im Altersheim oder Spital hört er zu, nimmt viele fremde Emotionen und Geschichten in sich auf. «Dann trete ich aus dem wieder heraus und komme zu mir selbst im Spiel.» Dieser Wechsel von kognitiven Emotionen in spielerische, mit Körper und Sprache ausgedrückte Emotionen, das brauche er. «Zusammen ist das eine wie das andere sehr bereichernd und erfüllend.» 

Das Publikum zum Lachen bringen

Und was ist der Reiz, in einem Märchen eine Taube zu spielen? «Ich habe mich über das reguläre Casting für eine Rolle beworben, weil ich fast alle in der Produktionsleitung kenne und weiss, dass die Zusammenarbeit mit ihnen toll ist.» Regisseur Nico Jacomet schreibe die Märchen jeweils für das «Theater im Märliwald» um und habe die neue Fassung «sehr gut auf unsere Zeit angepasst.» Die Kinder würden nicht von verzweifelten Eltern ausgesetzt – «welches heutige Kind kann sich so etwas vorstellen?» –, sondern ihre eigene Neugier und die Lust, die Welt zu entdecken, führe sie in den Wald, bis sie den Heimweg nicht mehr finden. Da komme dann seine Rolle ins Spiel: «Die Taube und das Eichhörnchen begleiten die Kinder und helfen ihnen in ausweglosen Situationen weiter.» Und wie die Probe der einen Szene verrät: sie werden mit ihrer Unbeschwertheit und Tollpatschigkeit das Publikum zum Lachen bringen. 

Weitere Engagements sind schon fix: Im Herbst wird Kuttipurathu zuerst bei der Musical-Gala in Adliswil mitmachen – und dann freut er sich auf die Wiederaufnahme von «Sister Äct – ein himmlisches Musicäl» im November in der Maag-Halle Zürich. Wie schon vor einem Jahr wird er darin die Rolle eines Gangsters spielen.

Text: Beatrix Ledergerber