Nur noch wenige Wochen, dann beginnt die schönste Zeit des Jahres. Während der Ferien können sich Kinder und -Erwachsene erholen und Neues entdecken. In die Ferne zu reisen, bildet, macht Freude und tut einfach gut – nicht zuletzt, weil man auf Reisen so leicht den gegenwärtigen Augenblick geniessen kann.
Auch in der christlichen Spiritualität hat das Reisen Tradition. Seit jeher machen sich Menschen auf den Weg, um zu pilgern. Ob nach Jerusalem, Santiago de Compostela oder Padua: Das Ziel ist in der Regel ein heiliger Ort, also einer, an dem bereits andere Menschen heilsame Erfahrungen mit Gott machen konnten.
Ich finde Pilgern ein faszinierendes Bild für spirituelles Leben. Ein Mensch bricht auf, um seiner Sehnsucht nach «mehr» zu folgen – auch wenn er oder sie vielleicht noch nicht genau weiss, worin dieses «mehr» eigentlich bestehen könnte. Das Wenige, das es für den Weg braucht, ist im Rucksack oder findet sich unterwegs. Mit Mut und Ausdauer geht es Schritt für Schritt voran. Im Rhythmus des Gehens sammeln sich Gedanken und Gefühle. Und während die Füsse einen in die Ferne tragen, kann die Seele innerliche Weiten erkunden. Welcher Ort da wohl wartet?
Auch Mystikerinnen und Mystiker verschiedener Zeiten waren Reisende – obwohl manche von ihnen die Orte, an denen sie lebten, nie verlassen haben. Ihre Sehnsucht nach dem Göttlichen führte sie auf eine innere Pilgerschaft. In sich selbst fanden sie – oft nach mühevollen Etappen – einen heiligen Raum, in dem ihnen eine heilsame, kraftspendende oder inspirierende Begegnung widerfuhr. Die Mystikerin und Kirchenlehrerin Teresa von Ávila (1515 – 1582) nannte diesen Ort ihre «Seelenburg». Sie schrieb: «Wer Gott sucht, braucht keine Flügel. Er soll nur still in sein Inneres schauen. Dort wird er ihn finden. Das Innere des Menschen ist wie ein Kristall, in dessen Mitte Gott wie eine alles durchdringende Sonne wohnt.»
Der Weg nach innen ist nicht nur etwas für Auserwählte. Er steht jedem Menschen offen. Wer ihn gehen will, hat einen wichtigen Verbündeten: den eigenen Körper. Ob mit dem Herzensgebet im Atemrhythmus, kniend beim meditativen Rosenkranz, im Yoga-Flow oder eben beim Gehen – der Körper hilft dabei, ganz bei sich und im Moment gegenwärtig zu sein. Er hält Seele und Geist wie ein Anker in der Gegenwart Gottes.
Und noch mehr als das: Schon -Paulus nannte den Körper «Tempel des Heiligen Geistes» (1. Korintherbrief 6,19), also einen Ort, an dem der Mensch mit dem Heiligen in Beziehung treten kann.
Heiliges ist unverfügbar. Darum lässt sich spirituelle Erfahrung nicht erzwingen. Und doch lohnt es sich, aufzubrechen und die inneren Landschaften zu erkunden. Denn, wie der Jesuit Alfred Delp (1907 – 1945) schrieb: «In uns strömen die Quellen des Heiles und der Heilung. Gott ist als ein Brunnen in uns, zu dem wir zu Gast und Einkehr geladen sind. Diese inneren Quellen müssen wir finden und immer wieder strömen lassen in das Land unseres Lebens.»