Was lesen Studierende der Theologischen Hochschule?

Sommerlektüre

Was lesen Studierende der Theologischen Hochschule?

Wer Theologie studiert, liest viel, sehr viel. Wir haben Studierende der ­Theologischen Hochschule Chur nach Büchern gefragt, die sie in ihrer Freizeit lesen. Herausgekommen sind sechs Tipps für die Sommerlektüre.

Die Geschichte eines Landes
Die Geschichte eines Landes

Wie erzählt man die Historie eines ganzen Landes? Besonders, wenn sie so abenteuerlich und wechselhaft ist wie jene Südafrikas? James A. Michener verpackt 500 Jahre Geschichte in einen fesselnden Roman, der mit den ersten holländischen Siedlern am Kap beginnt und mit der grässlichen Zeit der Apartheid endet. Anhand dreier Familiengeschichten entfaltet er ein Panorama eines Landes, das so vielfältig ist wie seine Bewohner selbst. Während die englischen Saltwoods mit den Folgen der Kolonialpolitik Grossbritanniens ringen, versucht die Familie Nxumalo zwischen den Rivalitäten der Europäer zu überleben. Dazwischen baut die Burenfamilie van Doorn über die Jahrhunderte hinweg am Fundament eines Landes, das schliesslich als Südafrika seine Unabhängigkeit erklären sollte.

Für theologisch und historisch interessierte Lesende, die mehr über die Seele Südafrikas erfahren wollen, ist «Verheissene Erde» ein absolutes Muss. Es lässt sich kaum vermeiden, dass man sich beim Lesen in das Land an der Südspitze Afrikas verliebt.

Jan Bergauer aus Chur

«Verheißene Erde»
James A. Michener
Knaur 1984.

Tag für Tag
Tag für Tag

Das 2022 erschienene Buch «Werk | Zeuge – In Resonanz mit Gott» ist das dritte Werk des deutschen Geigenbaumeisters und Physikers Martin Schleske. In 365 kurzen Texten – für jeden Tag des Jahres einen – erzählt der Künstler von seiner Arbeit im Atelier, seinem tiefen Glauben und seinem Leben. Dies geschieht in authentischer und sehr persönlicher Weise. Die Werkzeuge und Arbeitsschritte, die im Werdegang einer Geige zum Einsatz kommen, dienen als Sinnbild für Erfahrungen und Erkenntnisse des Lebens. Der auch optisch ansprechende Band spricht von der Liebe, der Absichtslosigkeit, von Resonanzerfahrungen mit dem Geheimnis Gottes, aber auch von Enttäuschungen, der Suche nach dem richtigen Weg und dem Sinn des Lebens. Es ist kein Buch, das man in einem Zug durchliest. Die Texte wollen bedacht und in ihrer Tiefe ergründet werden. Warum nicht, im Sinne eines Rückblicks, den Tag jeweils damit beschliessen?

Sara Kissling aus Wattwil

«Werk | Zeuge: In Resonanz mit Gott. 365 Fragmente»
Martin Schleske
bene 2022

Einfach losfahren
Einfach losfahren

Die deutsche Journalistin Meike Winnemuth machte bei «Wer wird Millionär?» mit und gewann eine halbe Million Euro. Daraufhin entschloss sie sich, ein Jahr frei zu nehmen und um die Welt zu reisen. Ihre Idee: zwölf Städte in zwölf Monaten. Genauer gesagt: Sydney, Buenos Aires, Mumbai, Schanghai, Honolulu, San Francisco, London, Kopenhagen, Barcelona, Tel Aviv, Addis Abeba und Havanna. Im Buch reist man sowohl mit ihr an diese Orte als auch in ihre innere Welt. Sie erzählt über ihre Erfahrungen und Gedanken, über die kleinen und grossen Wunder, Kulturschocks und glücklichen Zufälle. Am Ende eines jeden Kapitels fasst sie ihre wichtigsten Erkenntnisse zusammen. Das überraschende Fazit: Sie hätte den Gewinn gar nicht für ihr Vorhaben gebraucht! Zu ihren wichtigsten Erkenntnissen gehört, dass vor allem ein Ereignis notwendig ist, um ins Handeln zu kommen. Und wie spannend es ist, durch das Reisen herauszufinden, wer man ist.

Silke Weinig aus Zürich

«Das grosse Los. Wie ich bei Günther Jauch eine halbe Million gewann und einfach losfuhr»
Meike Winnemuth
Penguin 2018.

Ein nimmermüder Klassiker
Ein nimmermüder Klassiker

Mönche, Mord und Mittelalter. Wo lässt es sich der Sommerhitze besser entfliehen als hinter den Mauern eines mittelalterlichen Klosters? Anno Domini 1327 begibt sich der Franziskaner William von Baskerville, in Begleitung des Novizen Adson von Melk, in eine Benediktinerabtei im ligurischen Apennin. Dort soll es eigentlich in erster Linie um theologische Fragen gehen, doch bevor die Diskussionen beginnen, kommt ein Mönch unter mysteriösen Umständen ums Leben. William und Adson nehmen die Ermittlungen auf, doch das Morden geht weiter. «Der Name der Rose» ist ein Klassiker, der Spannung garantiert. Zwischen den Seiten dieses Buches entdeckt man auch nach mehrfacher Lektüre immer etwas Neues.

Emily Isik aus Basel

«Der Name der Rose»
Umberto Eco
Hanser 1986

Feministische Utopie
Feministische Utopie

1185 klopft die Königstochter Marie von Frankreich an die Pforten eines ärmlichen Klosters in England. Die 17-jährige Marie, ein uneheliches Kind, dazu ungelenk und drei Köpfe zu gross geraten, eignet sich nicht für den königlichen Hof. Sie wird von ihrer Schwester, der Königin, verstossen und soll Priorin des Klosters werden. Bloss, die Kirche mit ihren Dogmen hat für Marie etwas Törichtes, den herkömmlichen Glauben lehnt sie ab. Marie fügt sich nach anfänglicher Verzweiflung dennoch in ihr Schicksal. Sie wächst in ihr Amt als Äbtissin hinein und beginnt die Abtei klug und majestätisch zu führen. Hinter den sicheren Mauern baut Maria an ihrem Kloster, an ihrer Vorstellung von Kirche und an einem neuen Gottesbild. Dies führt nicht nur zu Konflikten mit der Kirchenobrigkeit, sondern auch mit ihrer Schwester, der Königin.

«Matrix» von Lauren Groff hat das Potential, ein Klassiker zu werden. Sie zeichnet äusserst intelligent das Bild einer starken Frau, die geschützt durch Klostermauern ein feministisches Utopia entwirft.

René Schaberger aus St. Gallen

«Matrix»
Lauren Groff
Claassen 2022

Die grossen Fragen
Die grossen Fragen

Spätestens nach dem erfolgreichen Buch «Der Nachtzug nach Lissabon» ist der Name Pascal Mercier allgemein bekannt. Hinter dem Pseudonym verbirgt sich der kürzlich verstorbene Schweizer Schriftsteller und Philosoph Peter Bieri, der im Jahr 2020 ein weiteres beeindruckendes Werk mit dem Titel «Das Gewicht der Worte» veröffentlichte. Dieser Roman stellt den Sprachfanatiker und leidenschaftlichen Übersetzer Simon Leyland ins Zentrum. Ein angeblicher Hirntumor bringt Leyland und die Lesenden dazu, sich den grossen Fragen des Lebens zu stellen: Was habe ich bis jetzt erreicht? Welche Rolle nehme ich in meiner Lebensgeschichte ein? Und was tue ich, wenn mir eine zweite Lebenschance gegeben wird? All die philosophischen Überlegungen von Leyland und weiteren Nebenfiguren werden von einer genussvollen Sprache und Wortwahl begleitet, und die Leserschaft merkt, wie schwer oder leicht sich manche Worte anfühlen können.

Anna-Lena Jahn aus Solothurn

«Das Gewicht der Worte»
Pascal Mercier
Hanser 2020