«Da nützt es auch nichts, sich auf die Strasse zu kleben. Das hat alles nichts mit uns Menschen zu tun», sagte der Ladenbesitzer. «Es ist der Lauf der Welt, dass wir auf eine neue Eiszeit zusteuern.» Mit dieser Aussage hatte mich der Ladenbesitzer überrascht. Ich war dabei, in einem Fachgeschäft noch etwas für meine Ferien zu besorgen. Es sollte ins Val Ferret gehen, in ein Gebirgstal im Wallis. Wir sind darauf zu sprechen gekommen, dass es in den Bergen immer weniger Wasser gebe. Und ich hatte damit gerechnet, in dem Ladenbesitzer ein besorgtes Gegenüber angesichts des Klimawandels vor mir zu haben. Weit gefehlt.
Diese Gelassenheit angesichts seiner Analyse des Weltenlaufs ging mir nach, aber auch seine Art, sich über Klimaaktivistinnen und -aktivisten lustig zu machen. Die Menschen stehen für ihn offenbar nicht im Zentrum des Universums, was ihn darin bekräftigt, dass jedes Bemühen um Umweltschutz unsinnig ist.
Von den biblischen Texten her, die mir als Bibelwissenschaftlerin vertraut sind, kenne ich das Phänomen: Die Art des Weltenlaufs, die man sich vorstellt, ist praktisch immer verwoben mit der eigenen Sicht, wie menschliches Handeln im Hier und Jetzt aussehen sollte. Blicke ich zum Beispiel auf die Welt als wunderbare Schöpfung, die aus dem Kurs geraten ist: so kann dies bedeuten, dass ich mich umso mehr dazu angehalten fühle, mich zu bemühen, Gutes zu tun für Menschen und Umwelt.
Ungefähr ab dem dritten Jahrhundert vor Christus hat man damit begonnen, den Weltenlauf nicht nur im Rückblick zu deuten, sondern Ideen zu entwickeln, worauf die Welt zusteuert. Auch damals machten die Menschen drastische Unrechts- und Unglückserfahrungen, die den Eindruck schürten, die Weltordnung sei aus den Fugen geraten. Trost schenkte die Hoffnung, dass sich Gott der gequälten Schöpfung bewusst wieder zuwenden wird – und zwar in Form eines Weltgerichts. Gott, so hoffte man, werde dann alle bösen Menschen und Mächte nichtig machen. Das nicht einfach zum Spass, sondern um einem guten Weltenlauf wieder eine neue Chance zu geben.
Jesus von Nazaret teilte diese Vorstellung. Dazu gehörte, das Hier und Jetzt sehr ernst zu nehmen und sich zu entscheiden: entweder für ein Leben, das zu einem gelingenden Zusammenleben möglichst aller Geschöpfe beiträgt – das Neue Testament spricht da vom «Reich Gottes» –, oder für ein Leben, bei dem man egoistisch um sich kreist, egal, ob andere dabei unter die Räder kommen.
Meinem Ladenbesitzer halte ich die Bescheidenheit zugute, was die Rolle der Menschen angeht. Bereits biblische Texte wie das Ijob- oder Koheletbuch relativieren die Idee, die Welt kreise um den Menschen. Doch muss dies zu einem Fatalismus führen, was den Anspruch angeht, für die Mitwelt Verantwortung zu tragen? Die Vorstellung eines Weltgerichts mag aus naturwissenschaftlicher Warte lächerlich wirken. Als Hoffnungsvision kann sie gerade motivieren: zu einem Handeln, bei dem man sich die Welt nicht vorstellt, als wäre sie nur für uns Menschen geschaffen.