Leben in Beziehung

Familienzuwachs im Alter

Das nahe Familienfest weckt durchaus Vorfreude. Wie aber wird es sein - mit «dem Neuen» zusammen am Tisch?

Das alljährliche Familienwochenende in Deutschland naht. Wir freuen uns auf Mama (bzw. die Schwiegermama), Geschwister bzw. Schwägerinnen und Schwager, grosse und kleine Nichten, Neffen und Co. Das letzte Weekend dieser Art stand ganz im Zeichen unseres fehlenden Schwieger-/Vaters, der kurz zuvor gestorben war. Nun werden wir uns wieder um den Apfelbaum versammeln, den wir vor einem Jahr zu seinem Gedenken im elterlichen Garten gepflanzt haben. Wir werden von ihm erzählen, die Kinder werden toben, wir werden lachen und wahrscheinlich ein bisschen weinen. Vielleicht machen wir wieder ein Feuer und singen einige Lieder, die er gern hatte und die wir gern haben. Auf Wunsch des jüngsten Neffen kommen auch «nichtvegetarische Würstchen» auf den Grill. Es wird schön werden. Manchmal chaotisch. Und ein bisschen melancholisch. So kennen wir uns. Und wissen: Damit können wir gut umgehen.

Aber etwas wird anders sein. Am letzten Abend wird ein für uns fremder Mensch dazustossen. Nicht der erste Freund der kleinen Nichte. Dafür ist sie echt noch zu jung. Eher das Gegenteil. «Der Neue» wird den Altersdurchschnitt deutlich anheben. Im Leben unserer Schwieger-/Mutter gibt es einen neuen Mann.

Was sie weit von sich gewiesen hat, als wir ihr nach der langen Zeit der schweren Erkrankung unseres Vaters bzw. Schwiegervaters vor einem Jahr behutsam eine solche Erfahrung gewünscht hatten, ist tatsächlich wahr geworden. Gänzlich überraschend für sie. Unerwartet schnell für uns. Wir freuen uns mit ihr und staunen dankbar, wie die neue Beziehung sie in den letzten Wochen hat aufleben lassen.

Aber ein bisschen unsicher sind wir auch. Niemand von uns Kindern und Schwiegerkindern hat Erfahrung damit, dass nach über 50 Jahren ein neuer Partner oder eine neue Partnerin den Platz eines verstorbenen Elternteils einnimmt. Können wir auch damit gut umgehen? Ihn integrieren? Oder wird das irgendwie «komisch»? Wir sind schliesslich nicht verliebt in «den Neuen» und ohne die entsprechenden Glückshormone unterwegs. Und wir vermissen unseren Vater bzw. Schwiegervater im Elternhaus ganz besonders.

Andererseits: Es ist aufregend und spannend, unsere Schwiegermutter bzw. Mutter von einer neuen Seite kennenzulernen. Wir wollen das geniessen – und sind neugierig auf den Menschen, der es geschafft hat, ihr trotz ihrer Trauer Lebensfreude und Lebensenergie zurückzubringen. Ausserdem interessiert uns, welche Lieder er so mag. Ob er wohl auch gerne singt?

Text: Hella und Gregor Sodies