Wieder ein heisser Sommertag, um acht Uhr morgens scheint bereits die Sonne auf den Streifen Land entlang dem katholischen Pfarrhaus in Dübendorf. Hier blühen gerade Nachtkerzen, Nelken, Pfefferminz, Wildrosen und – besonders zahlreich – Gelbe Skabiosen. Wildbienen, Hummeln und Schmetterlinge umschwärmen die Blüten.
Pius Döbeli (57), von Beruf Elektriker, ist Pfarreiratspräsident und Mitglied im Umweltteam der katholischen Kirchgemeinde Dübendorf. Er ist selber überrascht ob der grossen Zahl von Insekten. «Es kreucht und fleucht. An diesem Standort finden die Bienen auch im Sommer viel Nahrung.»
Professionalität ist wichtig
Früher war hier eine Rasenfläche, die gewässert werden musste und optisch doch nichts hergab. Das Umweltteam der Kirchgemeinde entschied, an dieser sonnenexponierten Stelle einen Trockenstandort einzurichten. Grasnarbe und Humus wurden entfernt und durch Kies und Geröll ersetzt. Die meisten Pflanzen wurden gesetzt oder gesät. Diese Massnahme zur Förderung der Artenvielfalt sei standortgerecht, sagt Döbeli. «Es funktioniert, weil es hier so trocken ist.»
Professionalität sei wichtig bei der Auswahl der Pflanzen und der Aufbereitung des Standorts, ergänzt Stefanie Huber (40). «Es ist besser, etwas mehr Geld in die Hand zu nehmen, damit die Massnahmen dann auch eine Wirkung zeigen.» Huber ist Umweltbeauftragte der Kirchgemeinde und damit Präsidentin des Umweltteams, zudem arbeitet sie als Umweltberaterin für andere Kirchgemeinden und das Programm Energiestadt.
Möglichst viel Lebensraum
Beim Trockenstandort hinter dem Pfarrhaus sei der Erfolg augenfällig. «Die Menschen sehen: Hier gibt es Leben. Und es sieht auch schön aus. Massnahmen dieser Art kann man gut erklären.»
Ähnlich sichtbar sei auch der Erfolg beim Weiher in Fällanden ZH, der auf einem Grundstück der Pfarrei St. Katharina angelegt wurde, so Huber. Fällanden gehört zusammen mit Schwerzenbach ZH zum Seelsorgeraum Dübendorf. Seither gedeihen dort schöne Blumen, zudem wurde eine Natter im Teich gesichtet.
«Im Umfeld kirchlicher Bauten gibt es ein riesiges Potential für die Förderung der Artenvielfalt», sagt die Umweltbeauftragte. Dabei gehe es aber nicht um die Förderung bestimmter Arten. «Wir fördern vielmehr Lebensräume, die möglichst vielen einheimischen Tier- und Pflanzenarten Platz bieten.»
Wirkung nicht immer sichtbar
Die Wirkung von Massnahmen ist für Laien nicht immer offensichtlich. Pius Döbeli zeigt beim Rundgang um die Kirche «Maria Frieden» auf zwei unterschiedliche Flächen, die nahe beieinander liegen: ein klassischer Rasen hinten, vorne eine Trockenwiese, ungepflegt und unspektakulär, da zurzeit kaum etwas blüht.
Hier habe man fette Erde abgetragen und durch magere ersetzt, um die Artenvielfalt zu fördern, sagt Döbeli. Seiner Mutter habe das gar nicht gefallen, sie habe es «schlimm» gefunden. Bei der hinteren Fläche hat man am klassischen Rasen festgehalten und dennoch eine Neuerung eingeführt – das Düngen mit Hühnermist.
Organisch statt synthetisch düngen sei ökologisch sinnvoll, sagt Huber. «In einem solchen Boden können mehr Arten leben. Würmer, Käfer, Bakterien – auch wenn das verborgen bleibt.» Bringe man den Hühnermist korrekt aus, stinke es auch nicht. Man habe da schon etwas Angst vor Reklamationen gehabt. Um solchen vorzubeugen, stelle man jeweils Info-Tafeln auf. «Das schützt auch den Hauswart, dem die Leute sonst leicht Vorwürfe machen», ergänzt Pius Döbeli.
Manche sind skeptisch
Manche Gläubige in Dübendorf stünden Neuerungen skeptisch gegenüber, sagen Döbeli und Huber. Umso wichtiger ist es laut der Umweltbeauftragten deshalb, behutsam vorzugehen, die Menschen über die geplanten Massnahmen zu informieren und die relevanten Leute einzubeziehen. «Sehr wichtig sind die Hauswarte und die Seelsorgenden, nebst den Mitgliedern der Kirchenpflege», weiss Stefanie Huber.
Die Kirchgemeinde Dübendorf mit ihren drei Pfarreien in Dübendorf, Fällanden und Schwerzenbach engagiert sich seit 2015 im Bereich Biodiversität. 2017 erhielt sie das Label «Grüner Güggel» als Anerkennung ihrer ökologischen Massnahmen. Das Zertifikat wird vom Verein «Oeku – Kirchen für die Umwelt» verliehen. Bislang hat die Kirchgemeinde rund ein Dutzend Massnahmen zur Förderung der Artenvielfalt umgesetzt.
Zu echten Nutzungskonflikten sei es bislang selten gekommen, sagt Huber. Es sei eher so, dass gewisse Gewohnheiten ökologischen Massnahmen entgegenstehen. Kirchgängerinnen und -gänger seien etwa an den englischen Rasen gewohnt, ans Rosenbeet vor der Kirche oder – wie hier in Dübendorf – an die Hortensien am Fuss des freistehenden Kirchturmes. «Wichtig ist deshalb, bei den Menschen ein Umdenken zu fördern und das Verständnis dafür, dass ökologische Massnahmen sinnvoll sind.»
Hortensien lieben es schattig und kühl. Wegen zunehmender Hitze und Trockenheit ist der Platz beim Kirchturm je länger desto ungeeigneter für die Ziersträucher. Pius Döbeli zeigt auf ein vertrocknetes Exemplar. «Pflanzen, die nicht mehr standortgerecht sind, sollte man durch andere ersetzen», sagt Pius Döbeli. Auf der einen Seite des Turms wurde bereits ein Versuch mit der Rispenhortensie gestartet – die ebenso prachtvolle Blüten entwickelt.
Neophyten unerwünscht
Ausser einigen Mohnblumen ist am nächsten Standort von der neu gesäten Blumenwiese im Moment nicht viel zu sehen. Dafür spriessen kanadische Goldruten. «Das sind Neophyten, welche die einheimischen Arten verdrängen. Da sind wir gefordert», erklärt der Pfarreipräsident. Pius Döbeli und Stefanie Huber schreiten gleich zur Tat und reissen sämtliche Goldruten aus. Der Kampf gegen die Neophyten – das ist eine Aufgabe, die das Umweltteam übernommen hat. Die Hauswarte freut’s.