Dieses Zitat wird zum Ausgangspunkt einer Diskussion. Mit einer Gruppe Studierender, die sich hauptsächlich mit Wirtschaft oder Technik beschäftigen, gehen wir der grossen Frage nach einem guten, glücklichen Leben nach. Wir geben uns nicht zufrieden mit naheliegenden Antworten wie Erfolg, Wohlstand, Genuss und Gesundheit. In philosophischen und religiösen Traditionen finden wir Lebensvisionen, die über Tausende von Jahren bis heute inspirieren. Eine davon ist der Stoizismus, eine andere das Christentum: Wie prägt der christliche Glaube meinen Blick auf das Leben? – Wir alle haben darauf unterschiedliche Antworten.
Für mein persönliches Lebensgefühl und die Art, wie ich in der Welt bin, sind folgende Grundsätze wichtig geworden: Deine Existenz ist geschenkt, du wurdest liebevoll geschaffen. Dein Leben hat einen Sinn, du hast eine Aufgabe, die individuell gestaltbar ist. Lebe gemeinsam mit anderen als Geschwister auf der Welt. Es gibt ein Du. Wage zu vertrauen und zu hoffen.
Mich hat die Diskussion mit den jungen Erwachsenen beschäftigt. Wir haben probehalber die vorgeschlagene Haltung eingenommen: An eine Person denken, die uns viel bedeutet, und sich ihre Vergänglichkeit vergegenwärtigen. Ein Studierender Anfang zwanzig meinte: «Angenommen, meine Freundin würde sterben. Natürlich wäre ich traurig. Aber so schlimm wäre es auch wieder nicht: Ich würde mir eine andere suchen!» Überraschendes Lachen in der Klasse, in dem auch Erleichterung mitschwang.
So erging es mir anschliessend ebenfalls: Ständig bin ich konfrontiert, einerseits – mit einem tatsächlichen Tod in der Familie, und dann andererseits – mit dem Gedanken einer möglichen Erkrankung oder dem Verlust meines Liebsten und auch von mir selbst. Da verschafft mir die pragmatische Perspektive von Epiktet zwischendurch Erleichterung.
Mitten im existenziellen Ringen zeigt sich eine wunderschöne Perle: Durch das Erleben der Endlichkeit allen Lebens zeigt es sich mir besonders deutlich, was meinem Leben Bedeutung gibt. Bei den Menschen, deren Leben zu Ende ging, habe ich mir aktiv überlegt, welche Spuren sie bei mir hinterlassen haben, und die Beziehung beim Abschiednehmen emotional immer wieder durchlebt. In meiner wertschätzenden Erinnerung sind sie dadurch präsenter als noch Lebende. Darin liegt eine gewisse Ironie.
Zu wissen, dass alles in dieser Form endlich ist, lässt uns erst den unendlichen Wert erfahren.
Was konkret für uns persönlich bedeutsam ist, mag individuell verschieden sein. Das Bedürfnis nach Sinn und Bedeutsamkeit verbindet uns geschwisterlich.