Zusammenspiel

Editorial

Zusammenspiel

In einem Konzert fasziniert mich oft nicht nur die Musik, sondern ebenso die Person, die vorne steht und dirigierend Teil dieser Musik ist.

Natürlich fällt ein Dirigent, eine Dirigentin nicht vom Himmel. Es ist ein Fach, das Musikstudierende ebenso lernen müssen wie Musiktheorie, Rhythmus oder Komposition. In seiner Musikausbildung hat unser Sohn drei verschiedene Kurse zu diesem Thema belegt  – den ersten in der Militärmusik, den letzten jetzt im Masterstudium. Bei einem der seltener gewordenen Besuche erzählt er mir, was jeweils als die Grundlage und der erste und wichtigste Zugang zum Dirigieren vermittelt wurde: «Spürt den Rhythmus», sagte der erste. «Das Wichtigste ist, den durchgehenden Takt mit klaren Bewegungen anzuzeigen. Tac, tac, tac …». Im zweiten Dirigierkurs tönte es anders: «Die Musik fliesst. Ihr müsst also mit fliessenden Bewegungen die Melodie nachzeichnen und aus dem Orchester herausholen.» – «Weder … noch!», meinte der letzte Dozent. Er kommt von der chinesischen Meditationsform Qi Gong und leitet die Studierenden dazu an, nicht mit den Armen über dem Kopf herumzufuchteln, sondern aus der Mitte ihres Körpers heraus die Energie der Musik in ihren Bewegungen zu vermitteln. 

Einen weiteren Ansatz möchte unser Sohn ausprobieren: das zu dirigierende Musikstück sich ganz zu eigen machen, es innerlich visualisieren, und dann diese Musik von innen heraus in Bewegungen umsetzen, die sich aber im Dialog mit dem Orchester auch verändern können. Um gemeinsam 
Musik zu machen – Musik zu sein.

Verschiedenes Wissen, verschiedene Erfahrungen und Ansätze. Wenn sie nicht gegeneinander ausgespielt werden, können sie die Grundlage für neue Ideen und Handlungsweisen sein. «Wissen-Kreuzen» nennen das die Protagonisten der Studie «Armut – Identität – Gesellschaft», die wir im folgenden Artikel vorstellen. Ein Weg mit Zukunft.

Text: Beatrix Ledergerber