Eins mit der Glocke

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Eins mit der Glocke

Glocken haben Marcel von Holzen schon immer fasziniert. Als Pfarrer in der Kirche Guthirt hat er nun das Handläuten in luftiger Höhe wieder eingeführt.

Mit Ohrenschützern und Handschuhen stehen sie bereit, jeder hinter einem Glockenseil auf dem Turm der Guthirtkirche. Marcel von Holzen koordiniert und gibt letzte Anweisungen: «Beni, übernimmst du die Hl. Theresia? – Thomas, du die Schutzengelglocke. – Ich nehm St. Josef.»

Heute hängen sich Sigrist Thomas Oesch und Jugendarbeiter Benjamin Winiger zusammen mit ihrem Pfarrer für das 11-Uhr-Läuten in die Seile. Sie sind Teil des Teams, das zu besonderen Anlässen mit vollem Körpereinsatz die Glocken zum Schwingen bringt. Und das ist gar nicht so einfach: Die drei Glocken, die heute geläutet werden, sind zwischen 636 und 3600 Kilogramm schwer. «Die Handschuhe sind nötig, weil das Seil durch die Hände saust», erklärt von Holzen. «Theresia von Lisieux setzt zuerst ein, ihr Klang ist schön abgestimmt auf das reformierte Geläut. Wir beginnen, sobald deren Glockenschläge verklungen sind.»

Aufmerksam hören die drei Glöckner auf den Stundenschlag, dann geht Beni Winiger in die Hocke. Er muss ein paarmal ziehen, bis die Glocke läutet. Danach setzen Thomas Oesch und Marcel von Holzen ein. Sie gehen bei jedem Zug in die Knie, stehen wieder auf, lassen das Seil durch die Hände gleiten und ziehen dann wieder an. Drei Minuten voller Klang, dann gibt von Holzen das Zeichen zum Aufhören. «Man muss die Glocke mit dem Eigengewicht bremsen», erklärt er, immer noch leicht ausser Atem, als alle Glocken verklungen sind. «Man darf nicht einfach das Seil loslassen. Im Gegenteil, man hält sich dran fest und wird so von der Glocke ein Stück in die Höhe gezogen.»

Beni Winiger findet dieses Glockenspiel durchaus schweisstreibend, während Thomas Oesch am liebsten zehn statt drei Minuten geläutet hätte. Die Begeisterung ist bei allen spürbar. «Wenn alle läuten, hört man die eigene Glocke nicht mehr heraus. Man muss übers Seil spüren, ob sie gleichmässig schlägt», weiss der erfahrene Handläuter von Holzen. «Manche stellen den Kontakt zur Glocke nicht her, sie hüpfen herum, verbrauchen viel Energie und es gibt chaotische Töne.» Das Geheimnis? «Man muss sich mit der Glocke verbinden. Man spürt ihre Vibration.»

Aktuell können fünf von sechs Glocken von Hand geläutet werden. Mit einigem Aufwand: Vor jedem Läuten muss von Holzen in den Glockenturm steigen und die Seile in die Karabiner der Läutarme einhängen, damit das Ziehen den Glockenklang hervorruft. Und nachher muss alles wieder an seinen Platz zurück. Allerdings nicht mehr lange, denn im kommenden Januar wird der Glockenstuhl saniert. Dann können alle Glocken ohne Aufwand sowohl von Hand wie auch automatisch geläutet werden.

Schon als Kind haben Glocken den Alltag von Marcel von Holzen strukturiert: «Am Morgen wurde ich vom Geläute geweckt, um 11 Uhr wusste ich: bald ist die Schule aus. Und um 17 Uhr sagten mir die Glocken, dass ich jetzt bald nach Hause zum Nachtessen gehen darf.» Später haben die Glocken seine religiöse Suche begleitet. Er habe sich gefragt: «An was erinnert mich dieser Klang? Sie rufen zum Gebet, sie sagen: Gott ist grösser als alles andere. Es ist ein Klang, der uns an eine andere Wirklichkeit erinnert. Sie lassen eine andere Dimension anklingen und führen uns immer wieder auf Gott zurück.»

Text: Beatrix Ledergerber