Kaum habe ich mir Lautsprecherboxen bestellt, erhalte ich reihenweise Angebote für supertolle Lautsprecherboxen. Vom gleichen Anbieter, einfach in höheren Preisklassen.
Nicht einmal der Gedanke, dass meine neuen Boxen Lust auf einen hammermässigen Verstärker machen könnten, geht der KI durch den Prozessor. Auch auf ein dazu passendes Regal kommt er nicht, auf den effizienten Schallschutz, oder die Wohnung ohne Nachbarn. Nicht einmal meine offensichtliche Affinität für Vinylplatten erkennt er. Nein, die einfach gestrickte KI versucht, mich weiterhin von dem zu überzeugen, was ich bereits habe.
Und das ist eine ungeheuer beruhigende Botschaft: Die digitale Welt kann mich genauso nerven wie die analoge!
Seit frühestem Trotzalter stachelt nichts meine Lust auf Widerspruch und Rebellion so sehr an wie der Versuch, mich von etwas zu überzeugen, von dem ich bereits überzeugt bin. Beispielsweise die penetrante Wahlwerbung durch genau jene Partei, die ich bereits gewählt habe. Je aufdringlicher mir die Flyer und Gipfeli hingestreckt werden, desto heftiger wird mein Impuls, den Postbriefkasten aufzubrechen, in den ich gerade mein ausgefülltes Stimmcouvert versenkt habe.
Genauso unwillig reagiere ich auf Missionierung durch Glaubensgenossen. Je eindringlicher ich zum himmlisch Guten bekehrt werde, desto verlockender erscheint mir eine Verschnaufpause in der Hölle. Und wenn mich jemand beim Kirchenapéro überschwänglich für meine vier Kinder rühmt: «Eine grosse Familie, so schön, so christlich!», dann fühle ich den schier unwiderstehlichen Drang zu Notlügen wie: «Alle nicht von mir.» Oder: «Keines davon getauft.»
Die für jeden Missionierungseifer traurige Wahrheit: Wer mich zu lauthalsen Hallelujas nötigt, kriegt sehr wahrscheinlich etwas von meinem inneren Beelzebub zu hören.
Um es klarzustellen: Ich brauche selbst an diesem Tiefpunkt keine Bekehrungsversuche. Ich finde Nächstenliebe ein super Konzept! – Ich tue schon lieber Gutes statt Böses! – Ich fürchte das Weihwasser nicht. – Und ich spreche das Vaterunser, ohne zu stocken! – Vor allem aber: Ich liebe meine Kinder!
Ich wünsche mir aber inbrünstig, dass mir die Freude an all diesen schönen Dinge nicht durch missionarischen Eifer ausgetrieben wird.