Es war die reine Qual. Als Schüler wurde ich gezwungen, mir den Jesusfilm von Franco Zeffirelli anzuschauen. Am heftigsten habe ich unter Jesus gelitten. Dieser Zeffirelli-Jesus war und ist mir zutiefst unsympathisch.
Viel später wurde mir bewusst, dass darin die grösste Schwierigkeit sämt-licher Jesusfilme besteht: Sie müssen Jesus Christus eine Gestalt geben. Sie müssen entscheiden, wie dieser Mensch Jesus nun genau ausgesehen hat. Und so werden sie zwangsläufig viele Menschen enttäuschen, die sich ein anderes Bild gemacht haben.
Und mit einem Mal wird für mich das Bilderverbot nachvollziehbar. Sobald ich von Jesus ein Bild habe, ist es mit der Allgemeingültigkeit vorbei. Nun stellt er sich unter Umständen so dar, wie ich ihn mir nie vorgestellt habe und vielleicht auch unter keinen Umständen vorstellen möchte.
Wahrscheinlich hat sich deshalb über die Jahrhunderte hinweg ein Jesusbild verfestigt, das die Extreme möglichst vermeidet. Keine Darstellungen von einem Jesus, der besonders klein oder besonders gross gewachsen ist. Kein übergewichtiger Jesus. Keiner mit Glatze. Keiner mit Piepsstimme. Und ganz sicher keiner mit unkorrigierter Zahnstellung.
Aber so sehr sich Jesusfilme bemühen, mir einen wohlgestalteten, grundsympathischen Jesus zu vermitteln, so hat das bei mir bislang doch nie funktioniert. Bei keinem einzigen Filmjesus kann ich mir vorstellen, ihm nachzufolgen. Inzwischen bin ich sogar heilfroh, dass ich dem echten Jesus in seiner echten Gestalt nie begegnet bin. Dadurch kann ich mir weiterhin ungestört den Jesus meiner Sympathie zurechtlegen.
Hat sich damit mein Jesusproblem gelöst? Keineswegs, denn es gibt auch in den Evangelien ein paar Stellen, an denen ich Jesus gar nicht mag. Wenn er beispielsweise seine Jünger vor versammeltem Publikum runterputzt. Wenn er Petrus anherrscht: «Hinter mich, an deinen Platz, du Satan! Deine Gedanken stammen nicht von Gott, sie sind typisch menschlich.» Dabei hat der gute Petrus sich doch lediglich berechtigte Sorgen um Jesus gemacht.
Mir bereitet auch das vielzitierte «Wenn dich jemand auf die rechte Backe schlägt, dann halte auch die linke hin» Probleme. Diese Aufforderung klingt in meinen Ohren nicht so recht pazifistisch, sondern vielmehr aufreizend provokativ und moralisch überheblich.
Darf ich Jesus deshalb unsympathisch finden? – Wenn ich mich mit dem Menschen Jesus wirklich ernsthaft auseinandersetzen will, dann muss ich damit leben, dass er nicht nach meinem Gusto modelliert ist und ich auf ihn wie auf jeden anderen Menschen reagiere. Manchmal mit Ablehnung. Manchmal mit Unverständnis. Und manchmal auch mit einem ganz spontanen «Das ist jetzt aber nicht dein Ernst!»