Gegen 8 Uhr sind wir auf dem Weg zum Bahnhof. Für unsere Verhältnisse ungewöhnlich früh an einem freien Samstag, der eigentlich dazu einladen würde, gemütlich auszuschlafen. Eine gewisse Morgenmuffeligkeit bei der einen Hälfte von uns dämpft die Stimmung zusätzlich. Schweigend und zügig stapfen wir vor uns hin.
Auf den letzten zwei-, dreihundert Metern nähern wir uns von hinten einer vorauslaufenden Passantin. Wir realisieren, dass sie uns beiden auffällt. Eine Jungseniorin mit einem äusserst coolen Einkaufstrolley, der – wie wir einander später erzählen – uns jeweils auch gefallen würde. Sie ist stilvoll und farbenfroh gekleidet, dynamischer Kurzhaarschnitt, trendige Umhängetasche. Das strahlende Leben an diesem düsteren Morgen.
Als wir am Bahnhof ankommen, nähert sich von den Veloständern ein optisches Pendant zu unserer Vorläuferin. Das gleiche Poschtiwägeli in anderer Farbe, sie ebenso attraktiv und Energie versprühend. Die beiden begrüssen sich mit einer innigen Umarmung und gehen zusammen zum Perron. Lebenslust liegt in der Luft. Wir grinsen uns an. Auf einmal ist unsere Stimmung besser.
Ein paar Minuten später, die zwei sind in einen anderen Wagen eingestiegen (schade eigentlich), kommen wir schmunzelnd über unsere Wahrnehmungen und Assoziationen ins Gespräch. Wer die beiden wohl sind? Freundinnen? Schwestern? Ein Paar, das getrennt lebt? Ein Paar, das gemeinsam wohnt und – so wie wir manchmal – aufgrund eines unterschiedlichen morgendlichen Rhythmus nicht zusammen aufbricht und sich heute erst am Bahnhof gesehen hat?
Wir gehen einig, dass sie auf dem Weg zum Märt sind und miteinander den Samstagmorgen geniessen werden. Wenn sie zurückkommen, werden Blumen aus mindestens einem Trolley herausleuchten.
Ein Gedanke gibt den anderen. Wie werden wir leben, wenn wir ins Alter kommen? Wie unsere Wochenenden gestalten? Sind wir dann freiwillig früh auf den Beinen? Würden wir uns für einen Märt-Samstag miteinander auf den Weg machen oder mit einem Gspänli? Und wie bekommen wir das hin, dass wir zum passenden Zeitpunkt eine stimmige neue Wohnform finden? Gemeinschaftlich und generationenverbindend, spätestens «auf das Alter hin» – das reizt uns schon lange, doch sind wir dann noch flexibel genug? Fragen über Fragen.
Noch haben wir Zeit. Die zwei Frauen und ihre ausstrahlende Lebensfreude haben uns daran erinnert, dass jede Lebensphase gestaltet werden will – und kann. Samstägliche Märtausflüge würden uns beiden gefallen. Wir können uns ja mal um 8 Uhr am Bahnhof verabreden. Schon vor der Pensionierung.