Verantwortung fürs faire Wirtschaften

Hintergrund

Verantwortung fürs faire Wirtschaften

In der Schweiz gibt es immer mehr Investmentfirmen, die nachhaltige Projekte im globalen Süden fördern. Ein Verein fördert diesen Einsatz für ethische und nachhaltige Geldanlagen.

Ende Januar in Zürich an der Zollstrasse: Mehrere Investmentgesellschaften treffen sich in modernen Büroräumlichkeiten, um einem fachkundigen Publikum mit möglichen Investorinnen und Investoren aus ihrer Praxis zu berichten. Doch es geht bei diesem Treffen nicht um schnelle Rendite und Gewinnmaximierung, wie es auf den ersten Blick scheinen könnte. 

Vielmehr sollen hier Potentiale und Strategien für werteorientierte Investitionen vermittelt werden. Denn alle diese Unternehmen haben sich der ethisch-nachhaltigen Finanzierung verpflichtet. Das heisst, deren Anleger setzen ihr Geld dafür ein, um beispielsweise Projekte im globalen Süden zu unterstützen. Durch diese Art der Geldanlage sollen wirtschaftliche Zustände verbessert werden sowie der reale Alltag der Menschen vor Ort. Soziale Verantwortung und ökologische Gedanken stehen im Vordergrund. 

Davon fühlen sich neben Non-Profit-Organisationen und Stiftungen auch kirchliche Institutionen wie Bistümer, Landeskirchen oder Pfarrgemeinden angesprochen. Und deshalb sind manche von ihnen wie die Evangelisch--reformierte Landeskirche des Kantons Zürich oder das Internationale Katholische Missionswerk «missio» Mitglieder von CRIC– dem Verein zur Förderung von Ethik und Nachhaltigkeit bei der Geldanlage. Dieser ist in Deutschland, Österreich und der Schweiz aktiv und Veranstalter des Anlasses an der Zollstrasse. Insgesamt zählt der Verein, der in Frankfurt seinen Sitz hat, gut 130 Mitglieder.

Gemeinschaftlich und glaubwürdig

Ein Mitglied ist die internationale Genossenschaft Oikocredit, die seit vierzig Jahren auch in der Schweiz tätig ist. Zunächst mittels lokaler Fördervereine der Genossenschaft, seit 2023 mit Büros in Winterthur und Lausanne. Der Name enthält das griechische Wort «Oikos» für die Haus- und Wirtschaftsgemeinschaft – aus dem sich auch die Begriffe «Ökonomie» und «Ökologie» ableiten. «Credit» deutet auf das Anlagegeschäft hin, soll aber vor allem für Glaubwürdigkeit stehen.

Die Idee zur Gründung des Sozialinvestors ging auf eine Tagung des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK) 1968 im schwedischen Uppsala zurück. In Zeiten von weltweiten kriegerischen Auseinandersetzungen und Umstürzen forderten junge und politisch engagierte Kirchenmitglieder verschiedener Konfessionen eine nachhaltige Anlagemöglichkeit, die Frieden und weltweite Solidarität unterstützt. 

Damals sei dieses Konzept innovativ gewesen. Das Thema Mikrokredite wurde erst 
viel später durch den Friedensnobelpreis an Muhammad Yunus 2006 bekannt. Dieser Ansatz war damals sehr umstritten, weil davon ausgegangen wurde, dass arme Menschen keine Kredite zurückzahlen können. Trotzdem glaubten vor allem die kirchlichen Mitglieder an das -Vorhaben. 1975 – sieben Jahre nach Uppsala – gründete sich deshalb die Genossenschaft -Oikocredit, mit Hauptsitz im niederländischen Amersfoort. Zahlreiche Kirchgemeinden und viele christliche Privatinvestoren sind bis heute Anleger und Mitglieder.

An der CRIC-Veranstaltung in Zürich erklärt Kolja Leiser, der Leiter der Schweizer Niederlassung, an einem Beispiel, wie die Investitionen von Oikocredit funktionieren: «Wir sind in 33 Fokusländern aktiv und geben Kapital an Sozialunternehmen in den Bereichen nachhaltige Landwirtschaft, erneuerbare Energien, finanzielle Inklusion, Wasser und Bildung. Unsere jeweiligen Büros vor Ort klären ab, welche Partner in der entsprechenden Region benachteiligte Menschen erreichen.»

Auf diese Weise hätten sie im westafrikanischen Benin ein Unternehmen gefunden, das Solarstrom in entlegene Dörfer bringt, die nicht an ein Stromnetz angeschlossen sind. «Hier konnten wir für diese Gemeinden mit Wachstumspotenzial solarbetriebene Mini-Grids finanzieren. Solche Initiativen wollen wir stärken, indem wir dafür Kredite vergeben», so Kolja Leiser. 

Mit «wir» meint er damit den Hauptsitz in Holland und die Regionalbüros in Südamerika, Afrika und Asien. Von der Schweiz aus werden keine Kredite vergeben. Hier steht die Betreuung der rund 3500 Investoren im Vordergrund. «Wir betreuen Kleinanleger und Institutionen in der Schweiz, die ihr Geld bei Oikocredit anlegen. Viele sind erstaunt, dass diese Anlage neben der sozialen Wirkung auch eine finanzielle Dividende für die Anleger erwirtschaftet. So lohnt sich eine inklusive Finanzanlage langfristig für alle. Nun wollen wir Oikocredit hierzulande noch bekannter machen», sagt Kolja Leiser.  

Oikocredit engagiert sich auch in der Bildungs- und Sensibilisierungsarbeit. Dafür ist Michelle Lüchinger zuständig, Geschäftsführerin des Deutschschweizer Fördervereins – denn diesen gibt es immer noch, allerdings nun mit einer anderen Ausrichtung als dem früheren Treuhandbusiness. «Das Ziel des Vereins ist es, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, was die Menschen in der Schweiz durch ihr eigenes Handeln bewirken können, um die Lebensqualität im globalen Süden zu verbessern. Das generiert nicht nur einen finanziellen, sondern auch einen sozialen Wandel. Natürlich nicht von heute auf morgen, sondern in kleinen Schritten.»

Potenzial in der Katholischen Kirche

Damit dies gelingt, muss sich – nach Meinung des Theologen und Sozialethikers Thomas Wallimann – die Kirche viel mehr der sozialpolitischen Bedeutung ihrer christlichen Botschaft bewusst sein. «Es ist der diakonische Auftrag der Kirche, der in der Welt wahrgenommen wird», sagt der Leiter des Instituts «ethik22». Speziell in der Katholischen Kirche Schweiz bedaure er deshalb, dass fast alle Arbeitsstellen zu «Kirche und Wirtschaft» verschwunden seien. «Mit Beten allein verändere ich keine Wirtschaftsordnung», meint er. 

Viele Kirchgemeinden würden zwar heute einzelne Hilfsprojekte fördern, die sich für eine nachhaltige Wirtschaft einsetzen. Doch es brauche genauso Investitionen in eigene Projekte sowie kirchliche Stimmen, die wirtschaftliche und wirtschaftsethische Fragen auf politischer und gesamtgesellschaftlicher Ebene ansprechen würden. 

Thomas Wallimann beruft sich dabei auf die katholische Soziallehre: «Diese besagt, dass Wirtschaft dem Wohl aller dienen muss. Der Massstab darf nicht sein, was du hast, sondern dass du als Mensch respektiert wirst. Die Zumutbarkeit und der Gewinn müssen gleichmäs-sig verteilt sein.» Das verpflichte die Kirche zu einer Solidarität und Sensibilität für die Benachteiligten. 

Gerade deshalb müsste die Kirche auch in der Wirtschaftswelt auf verschiedenen Ebenen aktiv sein. «Wir müssen uns in der Katholischen Kirche fragen, wie wir eigentlich unser Christentum verstehen in Zusammenhang mit der Arbeit, die wir leisten. Deshalb war es unter anderem auch wichtig, dass die Kirche bei der Konzernverantwortung Stellung bezogen hat. Doch es gibt in diesem Bereich noch viel mehr Potenzial, das auch die Glaubwürdigkeit der Kirche wieder fördern würde. Sie hat definitiv etwas zu bieten in diesem Dialog.»

Text: Sarah Stutte  kath.ch