Ramadan im Alltag leben

Bericht aus dem Islam

Ramadan im Alltag leben

Was heisst es, die muslimische Fastenzeit Ramadan zu halten? Was gibt es im Jahr 2024 für Besonderheiten? Einblick aus erster Hand.

Wenn der Ramadan vor der Tür steht, erwarte ich ihn mit einem freudigen Kribbeln – aber auch vielen Fragen. Am Abend des 10. März, als die feine Mondsichel erkennbar wurde, begann dieses Jahr der islamische Fastenmonat. Nach den Jahren mit der längsten Ausdehnung zwischen Morgendämmerung und Sonnenuntergang werden die Fastentage nun von Jahr zu Jahr kürzer. Denn der Fastenmonat beginnt in jedem Jahr circa 10 Tage früher im Sonnenkalender.  

Dennoch hält der Ramadan in jeder Jahreszeit seine eigenen Herausforderungen bereit. Auch in diesem Jahr findet die Umstellung auf die Sommerzeit mitten in der Fastenzeit statt. Für die tägliche Fastendauer spielt das zwar keine Rolle. Jedoch für all jene, die sich an Termine und Zeitpläne halten müssen – und wer muss das nicht? –, bringt es den eingespielten Rhythmus von Schlaf-, Wach- und Essenszeiten nach zwei Wochen nochmals durcheinander. Letztes Jahr fiel die erste Fastenwoche noch in die Schulferien. Dieses Jahr fällt der Ramadan gänzlich in die Unterrichtszeit. Was auf der einen Seite erschwerend ist, wird andererseits leichter: Das abendliche Fastenbrechen ist jetzt zeitlich so früh, dass wieder Einladungen und Besuche möglich sind und mit den Anforderungen des Arbeitsalltags in Einklang stehen. In den letzten Jahren, insbesondere während der Pandemie, waren Zusammenkünfte und gemeinschaftliches Fastenbrechen weitgehend eingeschränkt. 

Auch persönliche Umstände, Lebensphasen wie auch das Geschehen auf der Weltbühne haben Einfluss auf die Befindlichkeit im Fastenmonat. Der erste Ramadan als frischgebackene Eltern, der erste Ramadan in einem fremden Land fernab und getrennt von der eigenen Familie, Ramadan als Frau in den Wechseljahren. Fasten, wo man gerade eine neue Arbeitsstelle begonnen hat. Wird das akzeptiert, kommentiert? Letztes Jahr die Lehre begonnen, wie kommuniziere ich mein Fasten dem Lehrmeister? Eine Diabetes-Diagnose erhalten: Kann ich dennoch fasten? Soll, wer mehrmals täglich Medikamente einnehmen muss, damit pausieren, um zu fasten? Die Essenszeiten im Heim, in einer geschlossenen Anstalt oder im Armeebetrieb sind nicht kompatibel mit den Essenszeiten im Ramadan. Wie soll man damit umgehen? Wie erleben Vertriebene, Kriegsgeschädigte, Trauernde, Traumatisierte, in Flüchtlingslagern Lebende, auf Fluchtrouten Hängengebliebene, irgendwo auf der Welt Gestrandete den Ramadan? 

Fasten. Verzicht. Reue. Vergebung. Empathie. Dankbarkeit, Freude und viele gute Vorsätze. Ramadan ist eine Zeit der Fülle.  

Text: Amira Hafner-Al Jabaji, Islamwissenschaftlerin