Sünde, Sex und Seelenheil

Ausstellung

Sünde, Sex und Seelenheil

Begehrt, umsorgt, gemartert: das Verhältnis zum Körper war im katholischen Mittelalter facettenreich. Wie es war und was bis heute nachwirkt, zeigt das Landesmuseum Zürich. 

Die Darstellung und der Umgang mit dem menschlichen Körper im Mittelalter erlauben vielfältige Einblicke in die katholische Kultur und in das komplexe Verhältnis des Menschen zu seinem Menschsein. Gott schuf den menschlichen Körper im Paradies und er vertrieb ihn daraus. 

Unter Schmerzen muss der Körper seither gebären und «im Schweisse seines Angesichts» muss er sich das Brot erarbeiten. Aber der Körper beheimatet auch die Seele. Und als Schöpfung nach dem Ebenbild Gottes kommt ihm besondere Sorgfalt zu. Dieses Spannungsfeld prägte lange den Umgang der Menschen mit ihrem Körper.

Besonders deutlich war dieses Spannungsfeld im Mittelalter, als die Kirche weltbildprägend war. Vielschichtig sind die mittelalterlichen Darstellungen von erotischem Begehren mit moralisierendem Hintergrund. Daneben standen der gefolterte Körper Jesu am Kreuz und das Ideal der jungfräulichen Maria im Zentrum der christlichen Kunst, ergänzt mit Darstellungen der auf verschiedene Arten hingerichteten Märtyrerinnen und Märtyrer. Ihre Körperteile wurden als Reliquien verehrt und versprachen den Gläubigen Heilung, eine gute Ernte oder gar eine Schwangerschaft.

Aber auch im weltlichen Alltag beschäftigten sich die Menschen mit dem Körper. Frauen und Männer der höheren Stände waren nicht minder eitel als heute. Sie puderten sich die Haut, färbten die Haare und hüllten sich in feine Düfte. Auch sportliche Betätigung war beliebt und galt als gesundheitsfördernd. In der Stadt und auf dem Land vergnügten sich Männer wie Frauen an Festtagen mit Laufen, Springen und Tanz.

Die Ausstellung zeigt, dass wenig, was wir dem heutigen Zeitgeist zuschreiben, wirklich neu ist. Bereits im Mittelalter mangelte es nicht an medizinischen Ratgebern für einen gesunden Körper. Es gab schon damals den Drang zur Selbstoptimierung, allerdings unter anderen Wissensvoraussetzungen. Im Mittelalter basierte diese auf der Vier-Säfte-Lehre, bei welcher der Körper in einem harmonischen Ganzen gehalten werden sollte. Für einen gesunden Ausgleich der Körpersäfte halfen Baden, Schröpfen und der Aderlass.

Allerdings hatten die meisten Menschen weder Zeit noch Vermögen, um den Körper zu pflegen. Harte Lebensbedingungen, schwere körperliche Arbeit, schlechte Ernährung und Krankheiten prägten das Leben der grossen Mehrheit. Ob arm oder reich, am Ende wartet auf alle der Tod. Das Wissen um die eigene Vergänglichkeit und tote Körper waren im Mittelalter omnipräsent. In der Hoffnung auf Auferstehung pflegte man schon zu Lebzeiten Totenrituale und betete für die Seele Verstorbener.

Wie eng verwoben Körperbilder und Religion im Mittelalter waren, zeigt sich nicht zuletzt an der Überzeugung, dass die Menschen am Tag ihrer Auferstehung ihren Körper unversehrt und vollkommen in einem Alter von etwa 33 Jahren, dem Todesalter von Jesus, wiedererlangen würden.

Text: Annalena Müller, kath.ch