Die drei Kunstwerke stammen alle aus der Sammlung des Kunsthaus Zürich. Sie illustrieren, wie die religiösen Themen der Hochfeste Weihnachten, Ostern und Pfingsten in unterschiedlichen Jahrhunderten künstlerisch verarbeitet wurden.
Geburt Christi, 1445/50
Meister der Münchner Marientafeln, *1450 tätig in München
Tempera auf Nadelholz, Kunsthaus Zürich
Inv.-Nr. 2312, Bildmass: 107 x 80,5 cm
Weihnachten: Die Geburt Christi
Das Titelbild der Weihnachtsnummer, die Geburt Christi des «Meisters der Münchner Marientafeln», wird, wie im Editorial der damaligen Ausgabe zu lesen war, rasch überblättert und als «alte Darstellung von Weihnachten» abgetan. Es lohnt sich allerdings, diese um 1450 entstandene Bildtafel genauer zu betrachten: Das qualitätvolle Gemälde ist detailreich gestaltet und enthält eine reiche Symbolik, wie das im Spätmittelalter üblich war. Vor dem Goldgrund, der das göttliche Himmelreich symbolisiert, hat der Maler eine verschneite Landschaft dargestellt, und dies als erster Künstler in der Geschichte der Tafelmalerei. Da zur damaligen Zeit ein Weihnachtsbild immer ein Andachtsbild war, sollten sich die Gläubigen ganz ins biblische Geschehen vertiefen können. Darum hat der Künstler den Ort der Geburt Jesu in Mitteleuropa angesiedelt, wo im Winter Schnee lag, jedenfalls im 15. Jahrhundert.
Die frische Schneelandschaft erinnert an Winterbilder von Pieter Bruegel, die allerdings erst 100 Jahre später entstanden. Der Betrachter spürt die Stimmung eines bedeckten Wintertages und die Kälte wird durch die am Dachbalken aufblitzenden Eiszapfen erlebbar.
Das Christuskind liegt auf einer dunkelroten, textil anmutenden Wolke, auf der zahlreiche geflügelte Wesen zu erkennen sind. Es dürfte sich um sogenannte Cherubengel handeln. Cherub heisst auf Hebräisch «Fülle der Erkenntnis». Cherubim (im Plural) sind erhabene, geistige Wesen, die den unmittelbaren Willen Gottes vollstrecken, in diesem Fall also Christi Geburt. Die Farbe Rot verweist auf die Liebe, die Maria und Joseph ihrem neugeborenen Sohn entgegenbringen, aber auch auf das Blut Jesu Christi und so bereits auf seinen Tod an Ostern. Auch die Schriftzeichen im Nimbus von Maria nehmen den Tod Jesu schon vorweg: «Maria, hilf uns aus Not durc[h] deines S[ohnes] Pittren Tod».
Fabrik-Christus (Kruzifixus II), undatiert
Max Billeter, 1900–1980 in Zürich, Öl auf Pavatex, Kunsthaus Zürich
Inv.-Nr. 1981/0019 (nicht ausgestellt), Bildmass: 55 x 43 cm
Ostern: Fabrik-Christus (Kruzifixus II)
Ostern ist der Höhepunkt des Kirchenjahres. An Ostern ist aber im Gegensatz zu Weihnachten nicht nur Freude, sondern auch Trauer gegenwärtig. Die Trauer über den Tod Jesu am Kreuz und die Freude über seine Auferstehung in der Osternacht. Das Titelbild der Osternummer zeigt den Gekreuzigten inmitten einer Menschenmasse. Das Werk des Zürcher Künstlers Max Billeter (1900–1980) ist undatiert. Bekannt ist, dass Max Billeter 1945 eine «Kreuzigung» für die Kirchgemeinde Neumünster im Zürcher Riesbachquartier malte. Als sich der junge Maler entschied, nicht als Jurist, sondern als Kunstmaler tätig zu sein, wusste er, dass dieser Weg schon fast ein existentielles Wagnis war. Er unternahm Studienreisen nach Paris, in die Provence und nach Italien. Darum wird er auch als der Zürcher Erbe Cézannes bezeichnet. Am Ende des zweiten Weltkrieges herrschte in der Schweiz einerseits Freude über das Kriegsende, doch auch Unbehagen im Hinblick auf eine unsichere Zukunft. Der aufkommende Arbeitskampf wird im eher düster gehaltenen Bild des Fabrik-Christus sichtbar. Das verdichtete Gemälde zeigt einen vereinfachenden Realismus mit blockhaften Figuren und breiten Pinselstrichen. Den Arbeitern, die täglich in Fabriken strömen, wird hier ein eindringliches Denkmal gesetzt. In eben einer solchen Fabrik entstand bezeichnenderweise auch der eher ungewöhnliche Maluntergrund, nämlich eine Platte aus Pavatex. Der Kruzifixus im Hintergrund macht aber auch Hoffnung: Hoffnung auf die Auferstehung Jesu an Ostern einerseits, Hoffnung auf eine bessere Zukunft nach Kriegsende andererseits.
Die Ausgiessung des Heiligen Geistes, um 1490
Der jüngere Zürcher Nelkenmeister, Hans Leu (der Ältere), um 1460 Baden – vor 1507 Zürich
Tempera auf Leinwand auf Nadelholz, Kunsthaus Zürich
Inv.-Nr. 1928, Bildmass: 167 x 114 cm
Pfingsten: Die Ausgiessung des Heiligen Geistes
Das Hochfest Pfingsten wird 50 Tage nach Ostern gefeiert und erinnert an die Entsendung des Heiligen Geistes an die Jüngerinnen und Jünger Jesu. Die Titelseite der aktuellen Pfingstausgabe schmückt ein Altarbild mit der Erfüllung von Maria und den zwölf Aposteln durch den Heiligen Geist, der durch die Taube vergegenwärtigt wird. Das Gemälde schuf der sogenannte zweite Zürcher Nelkenmeister kurz vor 1500. Er malte in spätgotischer Tradition ausschliesslich Werke für den kirchlichen Gebrauch, denn damals gehörte die Heiligenverehrung in Schweizer Städten zum Alltag, und es brauchte zahlreiche Altäre für Kirchen und Kapellen. Die Komposition mit Maria und den Aposteln in der offenen Säulenhalle ist ruhig gestaltet und betont die Einheit der frühen Christinnen und Christen. Die Farbgebung des Bildes ist glanzvoll und prächtig, die Ausdruckskraft der Charakterköpfe intensiv. Der für die Spätgotik typische goldene Hintergrund der offenen Halle steht für das Himmelreich. Das Kunstwerk wird so dem Pfingstwunder gerecht, wonach die Apostelinnen und Apostel durch göttliche Präsenz die Kraft erhielten, das Evangelium allen Nationen zu verkünden.