Übergänge kosten alle Kraft

Editorial

Übergänge kosten alle Kraft

Ein Kind gebären und einen Menschen beim Sterben begleiten könnte unterschiedlicher nicht sein – und doch: ich erlebte Momente, die sich ähnlich anfühlten.

In beiden Fällen gibt es den «point of no return» – ein Moment, von dem an es unaufhaltsam und unausweichlich auf den Übergang hin zugeht. Von da an sind alle Fasern meines Wesens, Körper, Gedanken und Gefühle nur noch auf dieses eine ausgerichtet: den Übergang so gut wie möglich begleiten, ihm Raum geben – und ihn durchstehen. Diese Tage und Stunden sind so intensiv, dass es nachher lange dauert, bis die Bilder und Gefühle sich wieder ordnen.

Doch auch wenn der Moment des Übergangs mitgelebt und durchgestanden ist, gibt es keine Pause. Tausend Dinge müssen erledigt und neu organisiert werden, alle Beziehungen stehen Kopf und gestalten sich wieder neu – mit einem neuen Menschen oder mit der Lücke eines verlorenen Menschen. Nebst der unausweichlich geforderten Aktivität musste ich mir damals wie jetzt bewusst Raum, Stille und Ruhe zugestehen, um diese Neuordnungen zu fassen, mich dazu zu positionieren und auch mich selber wieder neu zu finden.

Das gemeinsame Gestalten und Feiern dieser Lebensübergänge – bei der Taufe oder dem Abdankungsgottesdienst – erlebte ich zwar in der Vorbereitung als anstrengende, aber zutiefst wichtige und hilfreiche Momente. Neues Leben und der Verlust vom irdischen Leben überfordert uns total. Einen Moment lang steht alles still. Sich da von der Gemeinschaft und von Gott getragen und begleitet zu erleben, fängt auf und lässt das Leben neu fliessen.