Erstes Wort mit Folgen

Leben in Beziehung

Erstes Wort mit Folgen

Es begann mit dem lange erwarteten ersten Wort. Nach vielen Sprachübungen und brabbelnder Babysprache sagte meine Tochter eines Nachmittags aus heiterem Himmel: «Auto».

Autos waren bis dahin nicht prominent vertreten in unserem Alltag. Sie kamen auch in unserer Kinderbuchbibliothek nicht vor. Das änderte sich nun aber schlagartig. Ab sofort wurde die ganze Wohnung nach Autobildern durchsucht, bis ein altes Ferienfoto von mir, auf dem zufällig eines zu sehen war, zum heissgeliebten Schatz wurde. Zudem trieben wir schnellstens ein passendes Kinderbuch auf. Und wir hatten eine neue Beschäftigung: Stunden verbrachten wir vor dem grossen Coop-Parkplatz und beobachteten die Autos beim Parkieren.

Das dauerte an, bis ein zweites Wort folgte: «Bus». Thematisch absolut passend und ab da traf man uns an der Bushaltestelle an. Im Herbst und Winter zwar nicht gerade mein liebstes Hobby, aber immerhin hält bei uns alle 5 Minuten ein Bus, was uns die Wartezeit verkürzte.

Folgerichtig kam bald ein weiteres Hobby hinzu: Busfahren. Und so gehen wir nun manchmal auf eine Reise mit unbestimmtem Ziel, aber wichtigem Weg. Wir fahren mit dem Bus, bis wir ein Tram antreffen, dann wechseln wir auf das Tram oder auch mal auf den Zug. Und die Begeisterung meiner Tochter ist bis jetzt ungebrochen: Sei es der echte Bus, das Spielzeugauto, das Buch mit den Baggern und Lastwagen, jedes Fortbewegungsmittel wird mit Freude und Jauchzen begrüsst. In den Familienferien kam dann auch noch die Seilbahn dazu, welche seither hoch im Kurs steht.

Regelmässig stelle ich mir die Frage: Was kam zuerst? Das Wort oder die Begeisterung für die Sache? War Liebe der Grund für die Sprache oder führte die Sprache zur Liebe? Vermutlich hat jede und jeder eine eigene Idee dazu, für mich steht so oder so wieder einmal fest, wie mächtig und bestimmend die Sprache sein kann. Und für meine Tochter auch eine mächtige Waffe, sobald sie Worte wie «Nein» und «Mein» entdeckt hatte.

Text: Anna Newec