Es gehört zu den schwer verdaulichen Pointen der Geschichte, dass es ohne jene Päpste, die mit zu den gottlosesten Kirchenfürsten aller Zeiten gehörten, eines der eindrücklichsten Werke der Christenheit nie gegeben hätte.
1541 schloss Michelangelo nach sechs Jahren die Arbeiten am «Jüngsten Gericht» in der Sixtinischen Kapelle ab. Nachdem er bereits 1508 bis 1512 die Deckenfresken gemalt hatte, vollendete der 66-Jährige ein Monumentalwerk, das in keiner Hinsicht dem entspricht, was wir von einer «Kapelle» erwarten.
Ohne die Aufträge von selbstverliebten Kirchenfürsten wäre Michelangelo nicht gross geworden. Gleichzeitig kämpfte er ständig mit kirchlichen Autoritäten, die seine Werke für zu gewagt hielten. Kurz vor Michelangelos Tod wurde damit begonnen «unsittliche» Stellen der Fresken zu übermalen. Erst bei der letzten Restaurierung (1980–1994) wurde Michelangelos Werk wieder in seinen Urzustand zurückgeführt.
Auch Michelangelo selbst war ein Mensch der Extreme. Er war über alle Massen ehrgeizig und gleichzeitig tief religiös. Einerseits galt er als misstrauisch, überheblich und rüde gegenüber Kollegen. Andererseits wurde er mit zunehmendem Alter immer stärker von Selbstzweifeln gequält.