«Kirchenrecht» und «Staatskirchenrecht»

Der feine Unterschied

«Kirchenrecht» und «Staatskirchenrecht»

«Kirchenrecht» und «Staatskirchenrecht» klingen zum Verwechseln ähnlich. Dazu kommt noch, dass die beiden Begriffe nicht überall das Gleiche bedeuten.

Im römisch-katholischen Kontext wird unter «Kirchenrecht» das Recht verstanden, nach dem sich die Kirche selbst organisiert. «Staatskirchenrecht» ist demgegenüber das Recht, das der Staat für die Kirchen und Religionsgemeinschaften erlässt. Mit anderen Worten: Kirchenrecht ist das Recht der Kirche für die Kirche, Staatskirchenrecht das Recht des Staates für die Kirchen und Religionsgemeinschaften. Im rechtswissenschaftlichen und im evangelischen Kontext hingegen wird das, was im katholischen Kontext «Staatskirchenrecht» heisst, häufig «Kirchenrecht» genannt und das, was im katholischen Kontext «Kirchenrecht» bedeutet, «kanonisches Recht».

Die Kantone regeln das jeweilige Verhältnis von Staat und Kirche. Deswegen sind in der Schweiz verschiedene Beziehungs- und Trennungsmodelle anzutreffen. Dominierend in der Deutschschweiz ist das «Kooperationsmodell»: Kanton und Kirchen arbeiten z. B. in der Spitalseelsorge zusammen. Wichtig für diese Kooperation ist die öffentlich-rechtliche Anerkennung – die Religionsgemeinschaft erhält vom Kanton Privilegien, wie das Steuerrecht, aber auch Pflichten. Die Kirche ist nun aus staatlicher Sicht nicht mehr ein privatrechtlicher Verein, sondern eine öffentlich-rechtliche Körperschaft. In der Schweiz als demokratischem Staat muss eine solche Körperschaft zwingend demokratisch organisiert sein.

Dies führt in vielen Kantonen zu einer Doppelstruktur der Römisch-Katholischen Kirche, die es ausschliesslich in der Schweiz gibt: Auf der einen Seite die kirchenrechtliche Struktur mit Pfarreien, Dekanaten, Bistümern und der Schweizer Bischofskonferenz. Auf der anderen Seite die staatskirchenrechtlichen Strukturen mit Kirchgemeinden, staatskirchenrechtlicher Körperschaft und der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz auf Bundesebene. Für die Finanz-, Gebäude- und Personalverwaltung ist die jeweilige Kirchgemeinde zuständig, die inhaltliche pastorale Verantwortung liegt bei der Pfarrei. Die Kirchgemeinde wird von der Kirchenpflege, die Pfarrei von Pfarrer oder Pfarreibeauftragten geleitet. Die beiden Seiten müssen eng zusammenarbeiten, um zu funktionieren: So muss bei der Anstellung von Personal sowohl die Kirchgemeinde als auch die Pfarrei der Anstellung zustimmen – denn sie betrifft sowohl die Finanzen und Verwaltung als auch die Seelsorge. Ein Pfarrer etwa wird im Kanton Zürich vom Bischof ernannt und von der Kirchgemeinde gewählt.

Text: Severin Schnurrenberger, Forschungsmitarbeiter an der Professur für Kirchenrecht und Staatskirchenrecht an der Universität Luzern