«In einem Wettbewerb der Schmerzen gibt es keine Gewinner.» Diesen Satz sagte der Vater von Hersh Goldberg-Polin.
Hersh gehörte zu jenen, die die Hamas am 7. Oktober 2023 als Geiseln genommen hatte. Als sein Vater diesen Satz sagte, war der 24-Jährige noch am Leben. Seine Eltern sprachen an einem Parteitag der Demokraten in den USA und setzten sich dort für einen Geisel- und Waffenstillstands-Deal zwischen Israel und der Hamas ein, den die USA unterstützt. Heute ist Hersh tot. Er wurde von der Hamas erschossen, zusammen mit anderen Geiseln, gerade als die israelische Armee vorgestossen war, um die Gruppe zu befreien.
Mit dieser Geschichte ist vermeintlich alles gesagt – und eines benannt: das unermessliche Leid. Das Leid einer konkreten Familie, das sich angesichts der vielen Betroffenen schier ins Unendliche multipliziert. Am 7. Oktober jährt sich das Massaker der Hamas und die Geiselnahme.
Ist mit dieser Geschichte wirklich alles gesagt? Ich höre Podcasts, lese Berichte, Analysen, Beiträge, ich spreche darüber, auch mit Jüdinnen, auch mit Muslimen. Ich glaube nicht, dass ich nichts davon verstehe. Ich glaube allerdings, dass ich zu wenig davon verstehe. Ich glaube auch, dass ich zu wenig weiss. Und ich wundere mich nicht selten, wie schnell manche sind mit dem, was «man» müsste, unbedingt sollte, längst könnte. Damit denke ich nicht an jene, die aus einer Betroffenheit heraus sprechen. Ich denke an jene Momente in Diskussionen, in denen über die einen wie die anderen geredet, nicht selten geurteilt wird.
Am 7. Oktober veranstaltet das Institut für jüdisch-christliche Forschung der Universität Luzern ein Podium. Es fokussiert auf die religiösen Auswirkungen und auf die weltanschaulichen Überzeugungen, die den Konflikt in Israel/Palästina wie die Auseinandersetzung im Westen prägen. Wie dankbar bin ich für solche Möglichkeiten: einmal mehr zuhören, ein klein wenig mehr verstehen.