Kirchliche Strafe und weltliche Strafe

Der feine Unterschied

Kirchliche Strafe und weltliche Strafe

Es gibt auch Kirchenstrafen. In unserer Rechtskultur sind sie jedoch weder Ersatz für das weltliche Strafrecht noch überstimmen sie dieses oder stehen gar im Widerspruch dazu.

Am 12. Mai 1982 versuchte der spanische Priester Juan María Fernández y Krohn im portugiesischen Fátima den damaligen Papst Johannes Paul II. mit einem Bajonett zu ermorden. Der Papst wurde verwundet, überlebte aber. Mit dem Angriff handelte Fernández sowohl gegen das portugiesische als auch gegen das kirchliche Strafrecht.

Wer gegen Recht verstösst, kann bestraft werden – zumindest falls jemand innerhalb einer bestimmten Zeit nach der Tat Anzeige erstattet oder die Staatsanwaltschaft von einer möglichen Straftat Kenntnis hat. Im Schweizer Strafrecht sind dazu verschiedene Fristen festgehalten, nach welchen eine Straftat «verjährt» ist. Nur die schwersten denkbaren Straftaten wie zum Beispiel Völkermord oder die Vergewaltigung von unter 12-Jährigen können im Schweizer Strafrecht nicht verjähren. Genauso gibt es auch im Kirchenrecht verschiedene Strafen und Verjährungsfristen.

Staat und Kirche strafen verschieden, ihnen stehen unterschiedliche Strafmittel zur Verfügung. Im Schweizer Staat reicht das Arsenal an Strafmöglichkeiten von einer kleinen Geldbusse bis hin zu einem Freiheitsentzug, der in der Regel maximal 20 Jahre dauert. Die Kirche hat keine Strafanstalten, Zuchthäuser oder Gefängnisse. Sie hat auch keine Polizei, die ausrücken könnte, um jemanden zu bestrafen. Ihre strengste Strafe ist die Exkommunikation: der Ausschluss aus der kirchlichen Gemeinschaft. Exkommunizierte dürfen weder Sakramente empfangen noch spenden, bis sie ihre Tat wirklich bereut haben. Neben klassischen Bussen wie Fasten oder Gebete kann die Kirche seit 2021 zudem auch Geldbussen verhängen. Besonders für Personen, die in der Kirche arbeiten, kann eine Exkommunikation nicht nur ein religiöses, soziales oder spirituelles Problem darstellen, sondern das ganze Leben auf den Kopf stellen – sie werden unter Umständen arbeitslos. Juan Fernández y Krohn wurde von Portugal gemäss staatlichem Recht zu einer Freiheitsstrafe von sechseinhalb Jahren verurteilt und von der römisch-katholischen Kirche gemäss kirchlichem Recht exkommuniziert

Die Strafen der Kirche ergänzen die Strafen des Staates. Sie ersetzen sie nicht. So kann die Kirche auch die Verjährung einzelner Taten für sich aufheben – ein Kleriker kann zum Beispiel aus dem Klerikerstand entlassen werden, auch wenn der Fall nach staatlichem Recht verjährt ist. Er darf dann unter anderem keine Sakramente mehr spenden. So blieb Fernández y Krohn exkommuniziert, auch nachdem er in Portugal seine Strafe abgesessen hatte.

Text: Severin Schnurrenberger, Forschungsmitarbeiter an der Professur für Kirchenrecht und Staatskirchenrecht an der Universität Luzern