«Machen wir Pause?», fragen die Kinder im Religionsunterricht, und dabei haben wir doch gerade erst angefangen. Offensichtlich erwarten sie von diesem Nachmittag mehr, als ich ihnen gerade bieten kann. In ihrem Empfinden dehnt sich die Zeit aus und scheint «ewig» zu dauern: Langeweile kommt auf. Im Sprachgebrauch der Erwachsenen ist «ewig» genauso negativ konnotiert. Es klingt nach ungeduldigem Warten und unerwünschtem Stillstand.
Wer will da überhaupt «ewig leben»? Ginge es ihm oder ihr nicht wie den beiden weltberühmten Putten auf Raffaels Gemälde «Sixtinische Madonna»? Ihnen steht die Langeweile doch ins Gesicht geschrieben.
Ich denke, da liegt ein Missverständnis vor. Im Neuen Testament steht das «ewige Leben» für eine Sehnsucht nach Fülle und nach unverlierbarer Verbundenheit mit Gott. Für Langeweile gibt es keinen Anlass – wohl aber für «Längizyt», ein schöner Ausdruck, der für sehnendes Heimweh steht: Paulus schreibt offenherzig davon, wie er kaum erwarten kann, im «himmlischen Haus» zu wohnen (2 Korintherbrief 5,2). Und ein Mann, der schon alles hat, fragt Jesus: «Was muss ich tun, um das ewige Leben zu erben?» (Markusevangelium 10,17). Jesus rät ihm, seine materielle Sicherheit aufzugeben, um ganz frei zu werden für seinen Glaubensweg. Diese Antwort überfordert den Reichen; er geht traurig weg.
Vielleicht hätte er sich mit der Kurzformel aus dem Johannes-Evangelium leichter getan. Da spricht Jesus: «Wer glaubt, hat das ewige Leben.» «Glauben» ist dabei nicht nur als Fürwahrhalten zu verstehen, sondern vor allem als tiefes Vertrauen in Gott. In Christus hat er sich der Welt spürbar zugewandt. Gleichzeitig lebte Jesus vor, wie jeder Mensch sich seinerseits auf Gott einlassen kann. Wenn ich in diese innige Beziehung eintrete, kann ich mitunter das Gefühl haben, unerwartet am Fluss der Ewigkeit zu stehen und daraus zu schöpfen. Manche machen solche heiligen und heilsamen Erfahrungen in der Natur, andere beim Meditieren oder durch die Feier der Eucharistie. Vielleicht blitzt auch im Miteinander mit anderen eine Qualität auf, die staunen lässt und intuitiv unvergänglich wirkt.
Ich glaube, das ewige Leben kann überall unerwartet auftauchen. Denn was ewig ist, muss nicht erst noch beginnen – es ist ja schon da. «Die Anderswelt Gottes ist mitten unter euch!», sagt Christus, und dennoch kann man nicht mit dem Finger auf sie zeigen. Ich kann mich bloss an Erfahrungen von Segen und Gnade halten und vertrauen: Jede Zeit und alles, was wurde und wieder verging, ist geborgen in der Ewigkeit. Und das Leben mit und bei Gott: Das gibt es jetzt schon ein Stück weit und einst hoffentlich voll und ganz.