Wünschen ohne Bringgarantie

Editorial

Wünschen ohne Bringgarantie

Was für ein Quatsch! – Das war mein erster -Gedanke, als ich vom «Manifestieren» hörte.

Auch der differenzierende Schwerpunkt in diesem Heft wird mich nicht dazu bringen, dem Manifestieren – Mega-Trend hin oder her – viel abzugewinnen. Aber das ist ja auch gar nicht die Erwartung.

Allerdings wurde mir bei der Lektüre bewusst, dass es zwei Haltungen gibt, die ich für gleichermassen schädlich halte – und in Beziehungen als wahnsinnig anstrengend empfinde.

Die eine Haltung ist jene der masslosen Bescheidenheit.  Und die andere jene des masslosen Anspruchs. Die eine kann sich in einer duldsamen Gebetshaltung zeigen, die keinen Wunsch offen ausspricht, weil ja der liebe Gott alles viel besser weiss und schon das Richtige finden wird. Die andere Haltung dagegen lässt die Egozentrik wuchern, bis sich gar nichts mehr entfalten kann.

Beide Haltungen produzieren viel Unzufriedenheit, weil sie einen idealen Nährboden für Neid bieten. In beiden Haltungen lebt man sozusagen über seine psychischen Verhältnisse. Und deshalb empfinde ich beide Extreme als aggressiv, wobei mir übertriebene Bescheidenheit fast noch gefährlicher erscheint, weil sie in aller Heimlichkeit blühen darf.

Ich bleibe einmal mehr beim Mittelmass: Versuche meine Wünsche zu konkretisieren und offen auszusprechen, ohne daraus unbedingte und selbstsüchtige Ansprüche abzuleiten.

Text: Thomas Binotto