Weiterdenken  und widersprechen

Zusammen unterwegs? – Synodalität (Beitrag 2/6)

Weiterdenken und widersprechen

«Was wirklich wichtig ist, sollte man auf einem Bein stehend sagen können» – meiner Erfahrung nach ist dies möglich. 

Wirklich wichtige Sätze in meinem Leben waren meist kurz, ich konnte sie gut auf einem Bein stehend sagen: «Ja, da bin ich mit dabei, da will ich mich einbringen und engagieren.» «Nein, da denke ich anders.» «Ich liebe dich.» «Es tut mir leid.» «Würdest du mir bitte helfen?»

Manchmal aber sind auch intensive Gespräche notwendig, manchmal brauche ich den Austausch und den Dialog, oft über eine längere Zeit hinweg. Es wird mir dann selbst erst klar, indem ich etwas ausspreche und mein Gegenüber meine Gedanken bestärkt und ergänzt und weiterdenkt und widerspricht – wir entdecken Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Auch Unterschiede, die mich überraschen, irritieren und schmerzhaft sein können. 

In «Synodalität» steckt das Wort Synode, übersetzt heisst das: «gemeinsamer Weg». Ein schönes Bild für Kirche: Menschen, die sich versammeln, sich treffen und miteinander im Gespräch sind. Menschen, die miteinander überlegen, was für die Gegenwart von Glauben und Leben, von Theologie und Kirche wichtig ist und für die Zukunft wichtig sein sollte. Bei «Synodalität» geht es um die Haltung, einander zuzuhören, aufeinander zu hören und darauf zu vertrauen, dass sich in der Gemeinschaft der Christinnen und Christen zeigen wird, was von Bedeutung ist. Ich frage mich: Warum ist Kirche nicht mehr «synodal»? Warum vertrauen wir nicht darauf, dass wir miteinander viel besser entdecken können, wie Glauben und Leben heute gelingen könnte?

Und dann habe ich mir einen schönen Platz an der Wintersonne gesucht und überlegt: Was ist mir selbst wichtig? Welche Tradition(en) sollen aus meiner Sicht weitergehen? Und ich merkte, dass mir ganz vieles wertvoll ist: Ich liebe die Rhythmisierung des Tages, der Woche und des Jahres, ich möchte nicht missen, dass Feste und Feiern dem Leben und dem Glauben eine Ordnung geben. Ich möchte nicht missen, den Tag mit einem guten Gedanken zu beginnen und mit einem Dank (meistens) zu beenden. 

Ich möchte die Überlieferungen der Bibel nicht missen, diese wunderbaren Erzählungen im Neuen Testament, wie es möglich ist, glücklich zu sein – und dann ist davon die Rede, dass einer unter die Räuber fällt und dass einer da ist, der hilft. «Der barmherzige Samariter» wird diese Beispielgeschichte genannt. Die Bibel erzählt davon, dass Menschen glücklicher leben, wenn sie sich selbst gern haben und auch auf den Menschen neben sich schauen, und wenn sie dabei verbunden sind mit dem, was Menschen «Gott» nennen. 

Ich mag sie, die menschlichen Erfahrungen von Liebe und Leid und Neid und Zorn und Gier und Schuld und Verzeihen, wie sie im Esten Testament überliefert sind. Und vieles mehr. Ich mag es, von Zeit zu Zeit darüber nachzudenken, was mir wichtig ist auf diesem «gemeinsamen Weg». 

Text: Helga Kohler-Spiegel