Bischof Gmür gesteht Scheitern ein

Hintergrund

Bischof Gmür gesteht Scheitern ein

Der «Beobachter» hat einen Missbrauchsfall veröffentlicht: Bischof Felix Gmür habe dabei nicht die korrekten Verfahrensschritte ­eingeleitet. Er nimmt dazu Stellung.

In der Ausgabe vom 17. August 2023 berichtete der «Beobachter» von mutmasslichen sexuellen Übergriffen eines Aushilfspriesters an einer Minderjährigen im Bistum Basel zwischen 1995 und 1998. Seit Sommer 2019 sei das Bistum Basel informiert gewesen, Bischof Felix Gmür habe sich «schützend» vor den Priester gestellt. Insgesamt sechs schwerwiegende Fehler in der Fallführung werden Gmür in dem Bericht zur Last gelegt, der Bischof zeige sich «uneinsichtig».

In einer Stellungnahme der Kommunikationsstelle des Bistums Basel räumt das Bistum daraufhin in drei der sechs genannten Punkte Fehler ein und hält fest: «Dass es nicht gelungen ist, die korrekten Schritte umzusetzen, anerkennt der Bischof als ein Scheitern, das nicht mehr vorkommen darf.» Wir haben nun in sämtlichen Punkten beim Bistum Basel nachgefragt:

forum: Warum hat die Person auf der kirchlichen Anlaufstelle bei Verdacht auf einen sexuellen Übergriff nicht sofort Strafanzeige und eine kirchenrechtliche Voruntersuchung eingeleitet?

Bistum Basel: Die betroffene Person muss damit einverstanden sein, dass ihre Meldung bei der Anlaufstelle an die Bistumsleitung weitergegeben wird. Sobald dies der Fall war, wurde das Bistum aktiv. Es ist nicht Aufgabe der Anlaufstelle, Anzeige zu erstatten, und sie kann auch keine Untersuchungen einleiten. Das ist Aufgabe der Bistumsleitung. (Anmerkung d. R.: Das war damals korrekt. Heute wird ein mutmasslicher sexueller Übergriff automatisch zur Anzeige gebracht.)

Warum kommt die Genugtuungskommission der Bischofskonferenz zur Entscheidung, es handle sich um einen «schwerwiegenden Fall», während Bischof Gmür zum Schluss kommt, dass sich die Vorwürfe des Opfers nicht bestätigt hätten?

Die Genugtuungskommission macht eine Plausibilitätsprüfung, das Bistum prüft juristisch. Die beiden Wege folgen sehr unterschiedlichen Regeln und sind nicht direkt miteinander zu vergleichen. Der Widerspruch ist dennoch nicht zu leugnen. Der Bischof anerkennt, dass damals Verfahrensfehler gemacht wurden, die dazu geführt haben, dass kein kirchenrechtliches Strafverfahren eröffnet wurde.

Warum entscheidet Bischof Gmür nach der kanonischen Voruntersuchung, die Dokumente der Untersuchung nicht nach Rom zu schicken, und wie begründet er dies?

Der damalige Voruntersuchungsführer war der Meinung, dass nicht genügend Hinweise vorliegen, und ging fälschlicherweise davon aus, dass das Bistum die Akten nicht nach Rom schicken muss.

Weshalb hat Bischof Felix Gmür die Akten am 4. Juli dieses Jahres dennoch nach Rom geschickt?

Der Bischof hat die Angelegenheit nochmals überprüft, den Fehler behoben und alle Akten nach Rom übersandt.

Warum verhängte der Bischof ein Tätigkeitsverbot für den beschuldigten Priester in seinem Bistum, wenn sich doch die Vorwürfe des mutmasslichen Opfers angeblich nicht erhärten liessen?

Das Tätigkeits- und Kontaktverbot für den beschuldigten Priester wurde schon zwei Wochen vor Beginn der Voruntersuchung verhängt. Diese Schutzmassnahme wurde erlassen, um die betroffene Person vor jeglicher Einflussnahme durch den Beschuldigten zu schützen.

Warum werden die Aufzeichnungen des Opfers nicht in die Beurteilung einbezogen?

Die Aufzeichnungen wurden durchaus einbezogen, aber aus heutiger Sicht falsch beurteilt.

Wieso händigt Bischof Gmür die Unterlagen, die nicht in die Beurteilung einfliessen und deren Richtigkeit in Zweifel gezogen werden, dem Beschuldigten aus?

Der damalige Voruntersuchungsführer hat fälschlicherweise Kriterien, die für ein kirchliches Strafverfahren gelten, bereits auf die Voruntersuchungsphase angewendet. Er war der Überzeugung, dass bereits für die Voruntersuchung dem Beschuldigten alle Beweise vorgelegt werden müssen, damit sich dieser angemessen verteidigen kann. Das ist verfahrensrechtlich nicht korrekt.

Text: arpf.ch / vej