Klassisch jazzig

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Klassisch jazzig

In seiner «Abyssinian Mass» bringt Wynton Marsalis unterschiedlichste kulturelle Einflüsse zusammen.

Jazz und Glaube haben gemeinsam, dass beide Schwierigkeiten lösen und Hindernisse in Chancen umwandeln wollen.  So schreibt Leon Wieseltier im Booklet zur Aufnahme der «Abyssinian Mass» von Wynton Marsalis.

Das monumentale Werk entstand zum 200-Jahr-Jubliäum der «Abyssinian Baptist Church» in Harlem, New York. Diese war 1808 aus Protest gegen die rassentrennende Sitzordnung in der First Baptist Church gegründet worden.

Das monumentale Werk atmet das Verbindende sowohl in den Texten, die alle Religionen zum gemeinsamen Gebet einladen, wie auch in der Stilfvielfalt. Es gibt Stücke von klassischer Strenge und Schlichtheit, die an frühe sakrale Musik erinnern, mitreissende Gospelnummern, raffinierten Big-Band-Sound. In dieser Vielfalt kommt sowohl der klassisch ausgebildete Wynton Marsalis zu Gehör, wie auch der traditionsbewusste Jazzer. 

Der Aufbau der «Abyssinian Mass» folgt über weite Strecken der römisch-katholischen Liturgie. Und will tatsächlich nicht bloss zum Mithören, sondern ebenso zum Mitfeiern einladen.

Da sind innige Momente zum Innehalten wie das «Vater unser». «We Are On Our Way» führt in die ausufernde Ekstase. Und besonders eindrücklich ist die Vertonung der Bergpredigt gelungen. Sie zeichnet musikalisch nach, wie sich eine im Grunde schlichte -Botschaft zu einer kraftvollen Bewegung entwickeln kann.

Das Jazz at Lincoln Center, dessen künstlerischer Leiter Wynton Marsalis ist, hat die «Abyssinian Mass» sowohl akkustisch wie visuell mustergültig aufbereitet und mit reichhaltigem, hilfreichem Bonusmaterial ausgestattet.

Text: Thomas Binotto