Anno Domini 1466/69–1536: Erasmus von Rotterdam

Kirchengeschichte kompakt

Anno Domini 1466/69–1536: Erasmus von Rotterdam

Der Pfad zum «Fürsten der Humanisten» war Erasmus von Rotterdam nicht vorgezeichnet.

An einigen Universitäten wurde ihm als uneheliches Kind eines Priesters die Promotion verwehrt. Erst mit 40 Jahren wurde er in Turin dann doch noch zum Doktor der Theologie.

Erasmus war ein Vielschreiber. Es wird geschätzt, dass er pro Tag durchschnittlich 1000 Wörter geschrieben hat. Über 400 Werke hat er deshalb hinterlassen. Eines der erfolgreichsten Bücher des 16. Jahrhunderts war sein Meisterwerk «Vertraute Gespräche». Darin analysierte er 1518 scharfsinnig und mutig den Zustand der katholischen Kirche. Auch als Herausgeber war Erasmus ein Schwergewicht. Sensationell waren seine Ausgaben des Evangeliums im griechischen Urtext.

Mit diesem Einfluss auf die zeitgenössischen Theologen, seiner offenen Kritik an der katholischen Kirche und seiner spitzen Feder schien Erasmus zum Reformator geboren. Er schloss sich jedoch der Reformation nicht an und versuchte zeitlebens innerhalb der katholischen Kirche für Erneuerung zu wirken. Dafür war seine pazifistische Haltung mitverantwortlich, die er in nicht weniger als 15 Schriften zum Ausdruck brachte. Er befürchtete – wie sich herausstellen sollte zu Recht –, dass die Kirchenspaltung zu Blutvergiessen führen würde.

Damit geriet Erasmus zwischen die Fronten. Die Reformatoren waren enttäuscht über seine fehlende Unterstützung, die katholische Kirche fürchtete seine Analyse. 1559 setzte das Konzil von Trient sämtliche Schriften des Erasmus auf den «Index der verbotenen Bücher», wo sie bis zu dessen Aufhebung 1963 verblieben. Heute gilt Erasmus als Wegbereiter der europäischen Aufklärung.

Text: Thomas Binotto