Frauen in Führungspositionen

Bericht aus dem Vatikan

Frauen in Führungspositionen

Seien wir ehrlich: Der Vatikan ist schon immer ein Männerstaat gewesen. Aber langsam und beständig ändert sich das. 

Inzwischen machen Frauen ein Viertel der Vatikanangestellten aus und bekleiden auch Führungsposten. 2019 waren 1016 Frauen beim Papst beschäftigt, was 22 Prozent der gesamten Belegschaft entspricht. 2010, noch im Pontifikat von Benedikt XVI., arbeiteten insgesamt 4053 Personen für den Papst, davon waren 697 und damit gut 17 Prozent Frauen.

Unter Papst Franziskus gab es einige bedeutende Ernennungen. Die jüngste kam vor wenigen Tagen: Die 52-jährige italienische Sozialwissenschaftlerin sowie Ordensfrau Raffaella Petrini wird neue Generalsekretärin des vatikanischen Governatorats. Sie wird sozusagen Premierministerin der Vatikan-Regierung. Damit ist sie nach Papst Franziskus als Staatsoberhaupt und Governatoratspräsident Kurienerzbischof Fernando Vérgez Alzaga die Nummer drei im Staat der Vatikanstadt. Um Missverständnisse zu vermeiden: Vatikanstaat und Heiliger Stuhl sind juristisch zwei verschiedene Völkerrechtssubjekte. An der Spitze beider steht der Papst.

2016 berief Franziskus die italienische Kunsthistorikerin Barbara Jatta zur Direktorin der Vatikanischen Museen. Die Ernennung sorgte in der internationalen Kunstwelt für Aufsehen, da kein anderes Museum dieser Grösse und Bedeutung eine Frau an der Spitze hat. Die päpstlichen Sammlungen zählen zu den fünf meistbesuchten Museen der Welt. Gleich zwei Untersekretärinnen auf einen Schlag im Dikasterium für Laien, Familie und Leben ernannte Franziskus 2017 mit Gabriella Gambino und Linda Ghisoni. Beide sind verheiratet und haben Kinder, ein Novum für den Vatikan in diesen Verantwortungsrängen. Die spanische Ordensfrau Carmen Ros Nortes wirkt als Untersekretärin an der Ordenskongregation, wo sie bereits die dritte Frau in dieser Funktion ist; ihre erste Vorgängerin, Enrica Rosanna, ernannte 2004 Papst Johannes Paul II. zur Überraschung vieler Beobachter. Untersekretäre waren bis dahin immer Priester gewesen. Mit der Berufung von Schwester Alessandra Smerilli zur Sekretärin des Dikasteriums für die ganzheitliche Entwicklung des Menschen im vergangenen August setzte Papst Franziskus seine Reihe von Ernennungen kompetenter Frauen in Führungsdiensten des Heiligen Stuhles fort. Die Position des Sekretärs ist die «Nummer zwei» einer Kurienbehörde und die höchste, in die Frauen beim Heiligen Stuhl jemals gelangten. Der Vatikan gab im vergangenen Februar bekannt, dass die Französin Nathalie Becquart zur neuen Untersekretärin des Synoden-Sekretariats ernannt wurde. Was unspektakulär klingt, ist eine kleine Sensation: Damit ist erstmals eine Frau bei der Bischofssynode stimmberechtigt. 

Die Liste der Ernennungen von Frauen in Führungspositionen geht weiter und führt dazu, dass die Männerwelt des kleinsten Staates der Welt bald der Vergangenheit angehört. Und auch die Männerdomäne der Schweizergarde könnte irgendwann brechen. Mit der Schaffung der neuen Kaserne soll nämlich die Einrichtung auch «damenkompatibel» werden. Im Allgemeinen ist es so, dass Frauen im Vatikan vor allem in mittleren bis gehobenen Positionen mitwirken, und zwar als Fachreferentinnen, Archivarinnen, Abteilungsleiterinnen, Informatikerinnen oder Journalistinnen. Sie arbeiten Seite an Seite mit gleich qualifizierten und gleich entlohnten Männern, von denen einige Priester sind.

Text: Mario Galgano