In der Begegnung auf Augenhöhe können wir das Verbindende finden und stärken, aber auch Unterschiede stehen lassen, ja sogar aushalten, die in unserer unterschiedlichen kulturellen Herkunft und in der Geschichte – im Werden und Wandel – unserer jeweiligen religiösen Traditionen begründet sind.
Die Woche der Religionen, die auch dieses Jahr im November stattfindet, ist somit zuallererst eine Woche der Begegnungen. Koordiniert wird sie vom Zürcher Forum der Religionen, dem verschiedene Gemeinschaften aus allen fünf Weltreligionen angehören. Organisiert werden die einzelnen Veranstaltungen von den Religionsgemeinschaften, von Bildungsanbietern wie dem Zürcher Institut für interreligiösen Dialog (ZIID) und der Paulus Akademie sowie von Gemeinden vor Ort.
Begegnung ist zuerst eine Frage des Kennenlernens – von Menschen und auch von Orten. So bietet die Woche der Religionen eine gute Möglichkeit, andere Gemeinschaften in ihren Räumlichkeiten zu besuchen. Der hinduistische Sarva-Devata-Tempel in Winterthur öffnet ebenso seine Türen wie das tibetisch-buddhistische Songtsen House in Zürich-Oerlikon. Mantra-Rezension am einen, Bildsprache am anderen Ort geben Einblick in die asia-tischen Glaubensformen. Dass Glaube primär durch den Magen geht, zeigt die Israelitische Cultusgemeinde ICZ und lädt zum «Koscher Kochen» ein – übrigens ganz interreligiös in die reformierten Räume der Helferei. Ich finde, es lohnt sich, die kulinarische oder geistige Reise anzutreten und Essentielles und doch Fremdes zu erfahren.
So sehr ich den Besuch in der nahen Fremde schätze, so sehr fasziniert mich aber auch die Möglichkeit, über das Kennenlernen hinaus miteinander in den thematischen Dialog zu treten. Was passiert, wenn Juden und Christen gemeinsam in der Bibel lesen – und sich dafür ein christliches Buch, die Offenbarung des Johannes, vornehmen? Oder: was ist für uns Gerechtigkeit – als Menschen, aber auch mit muslimischem oder christlichem Erfahrungshintergrund? Diese Fragen werden in Zürich-Nord – in Schwamendingen und Seebach – gestellt. Die Antworten sind offen, denn in einem echten Dialog zeigt sich erst im Lauf des Abends, was uns verbindet oder wo unterschiedliche Haltungen stehen bleiben müssen.
Den Abschluss jeder Woche der Religionen bildet ein Mosaik, zu dem die fünf Weltreligionen zusammenkommen. Erstmals werden dieses Jahr Kinder und Erwachsene eingeladen: es geht um Märchen, Mythen und Legenden, um Geschichten aus verschiedenen Kulturen, die Jung und Alt bis heute ansprechen. Rolf Bossart hat sie in einem Buch «Erzähl nochmal – Geschichten aus Religionen, Kulturen und Zeiten» gesammelt. Am Mosaik der Religionen werden sie von Menschen erzählt, denen die jeweilige Geschichte und ihr Inhalt besonders nahe steht.