Gegen den Corona-Blues

Editorial

Gegen den Corona-Blues

Wie gut kennen Sie Ihre Stadt, Ihr Dorf oder Quartier? 

Wie meinen Hosensack, dachte ich mir, schliesslich wohne ich bald dreissig Jahre hier. Bis wir während des Lockdowns die Idee hatten, entlang der Grenzen unserer Stadt zu wandern. Ausgestattet mit der Landkarte, die unsere Kinder in der Primarschule beim Geografie-Unterricht bekommen hatten, und einer neuen Wander-App, machten wir uns auf den Weg.

In mehreren Etappen, die sich über Sommer und Herbst zogen, stiefelten wir über Wiesen, hangelten uns an Gestrüpp haltend Abhänge hinunter, witzelten darüber, wie wir mitten durch eine Scheune oder über das Flüsschen die Grenze nicht verlieren könnten. Neugierig beäugten wir unbekannte Häuserzeilen (wow, mit Swimmingpool ...), entdeckten zwei uns unbekannte, herrlich wilde «Tobel», wunderbar einsame Waldwege, genossen unerwartete Ausblicke bis in die Alpen und beobachteten die Wisente und Hirsche des Tierparks plötzlich aus einer ganz anderen Perspektive.

Auch uns schlägt die Coronakrise langsam auf das Gemüt. Aber auf die Idee, das ganz Naheliegende zu entdecken, hat sie uns gebracht. Und neue Perspektiven – nicht nur geografische – zeigt sie uns auch auf: Weniger planen, mehr auf den Fluss des Lebens achten, flexibel auf immer wieder neue Situationen eingehen. Als Redaktion haben wir uns zum Beispiel vorgenommen, in diesem Winter möglichst viele «Outdoor-Geschichten» zu schreiben: aufzeigen, wer alles trotz Wind und Wetter draussen etwas erlebt – und sein Immunsystem stärkt.

Doch manchmal gibt es nichts Positives zu finden, es bleibt einfach nur Ohnmacht und Hilflosigkeit. Deshalb haben sich die Zürcher Kirchen – und damit wir alle – mit dem Corona-Manifest verpflichtet, gerade mit Blick auf Advent und Weihnachten niemanden allein zu lassen, ob im Spital oder im Gefängnis. Als Kirche wollen wir uns um die sozialen Bedürfnisse der Menschen kümmern, denn «Mensch-Sein ist mehr als Gesund-Sein».

Text: Beatrix Ledergerber