Über Weihnachten erhielt ich Besuch von meiner Schwester. Wir versuchen jeweils, die Feiertage gemeinsam zu verbringen, wenn wir nicht nach Hause fliegen können. So feiern wir Weihnachten im vertrauten Rahmen und können, wenn auch nicht im vollen Mass, ein wunderbares Familienfest geniessen.
Wir gestalten die Tage vor Weihnachten mit unseren Traditionen. Dazu gehören das Kochen traditioneller mexikanischer Gerichte, das Backen besonderer Leckereien oder das Neuentdecken geliebter Filme aus unserer Kindheit. Dieses Jahr allerdings hielt meine Schwester eine besondere Überraschung für mich bereit.
Ab und zu erwischte ich sie dabei, wie sie mich mit einem schelmischen Blick anschaute, wenn ich in das Zimmer zurückkehrte, in dem sie eben noch allein gewesen war. Manchmal lachte sie fröhlich vor sich hin, ohne dass ich den Grund dafür erkennen konnte.
Erst am Heiligabend verstand ich den Grund für ihr Kichern in den letzten Tagen. Unter unserem kleinen Tannenbaum drückte sie mir eine kleine, liebevoll verpackte Schachtel in die Hand. Darin fand ich einen Raster mit Kästchen, von eins bis hundert durchnummeriert. Dazu stand geschrieben: «Finde sie alle!» Nachdem ich sie fragend angeschaut hatte, offenbarte sie mir, dass sie in den letzten Tagen hundert kleine gelbe Entenfiguren in meiner Wohnung versteckt hatte. Meine erste Reaktion war Fassungslosigkeit: Wie war es möglich, dass uns hundert kleine Augenpaare aus den Ecken des Hauses beobachteten und dass sie bis dahin unbemerkt geblieben waren? Ich drehte mich in verschiedene Richtungen und begann, Schränke zu öffnen und Regale nach Enten zu durchsuchen. Es dauerte nicht lange, bis ich einen kleinen gelben Fleck auf einem Bilderrahmen an der Wand meines Schlafzimmers entdeckte. Die Ente war kaum grösser als eine Ein-Franken-Münze!
Es dauerte nicht lange, bis ein paar weitere folgten, versteckt in einem Schuh oder im Salzstreuer in der Küche. Ich war wirklich erstaunt über den Einfallsreichtum meiner Schwester. Alles war so gut durchdacht, dass das Auffinden der Enten praktisch dem Zufall überlassen war.
Natürlich wollte ich zunächst versuchen, alle kleinen Eindringlinge in meiner Wohnung zu finden, aber allmählich erkannte ich den wahren Wert dessen, was meine Schwester mir geschenkt hatte: Jetzt, wo meine Schwester wieder zu Hause ist und immer noch ein paar Dutzend Enten zu finden sind, habe ich beschlossen, die aktive Suche einzustellen. Ich möchte sie im Laufe des Jahres nach und nach finden. Und bei jeder Entdeckung intensiv an meine Schwester denken und so ihre Anwesenheit noch länger spüren.