Urlaub mit Fremden

Leben in Beziehung

Urlaub mit Fremden

Die Sommerferienzeit ist vorbei und die Zeit kommt, sie mit allen Freundinnen ausführlichst durchzuhecheln. 

Urlaub, das geschieht ja meist in der Kern-Familie: also Vater, Mutter, Kind(er). Bei Alleinerziehenden in gleicher Weise mit nur einem Elternteil plus die produzierte Anzahl Kinder. Dieser Urlaubs-Ansatz wird erweitert um weitere «Fs»: entweder um die eigene Familie wie Eltern der Eltern oder Geschwister der Eltern, manchmal beides. Oder Freunde. Beides samt Anhang, also samt Kindern. 

Im Englischen gibt es den Ausspruch: «The more the merrier», also frei übersetzt: Je mehr, umso fröhlicher. Das trifft leider auf die erweiterten Familienferien nicht immer zu. Manchmal werden die grossen Erwartungen an die vermeintlich schönste Zeit im Jahr im sorgsam ausgesuchten Ferienhaus schneller gebodigt als gedacht. Und da muss noch nicht einmal wirklich etwas Dramatisches passieren. Es reicht, Tag und Nacht mehr oder minder gemeinsam zu verbringen – schon mutieren die Themen Erziehung und Ernährung, je länger der Urlaub dauert, zu Minenfeldern. 

Beispiel Erziehung: Wo ich als Mutter schon längst ganz klar, aber unblutig reingegrätscht hätte, folgt gefühlte fünf Minuten später ein «Anna, Steven (beliebig auswechselbare Kindernamen,) bitteeee …» im säuseligen Ton des eigentlich zuständigen Elternteils. Ja was «bitte»?!? Weitermachen beim Plagen des kleinen Bruders mit dem Stock, das Glacepapier einfach fallen zu lassen oder sich zu weigern, den Parmesan aus der Küche zu holen? Ich beisse mir fast die Lippen wund. Wenn ich finde, dass die Kinder jetzt definitiv ins Bett gehören, haue ich dann aber dazwischen, auch wenn ausser mir keiner zuckt. Kompromiss: Die vier vorpubertierenden Jungs, die mir als Mädchen-Mutter die Ohren zum Klingeln bringen, ziehen sich zumindest mal zurück. Natürlich nicht ohne Gemaule und nicht ohne eine Spur von gebrauchter Wäsche hinter sich herzuziehen. Herr, schick Hirn und für mich Gelassenheit vom Himmel!

Definitiv an meine Grenzen komme ich bei den ach so gut gemeinten Tipps rund ums Kochen – zum Beispiel von Männern, die nie nur einen Finger in der Küche krümmen, denen ich dann zurufen möchte: Bitte nuckelt weiter am Bier, aber lasst mich in Ruhe! 

Gern verteilt werden diese Tipps aber auch von Mutter und Schwiegermutter: «Das Fleisch unbedingt in Portionen anbraten!», oder «Kartoffeln kocht man im Ganzen für Kartoffelstampf», «Kochen braucht gaaanz vieel Ruuhee!». Die habe ich – siehe oben – manchmal nicht einmal in den Ferien, geschweige denn im Alltag. 

Aber: Nach den Ferien ist vor dem Urlaub! Beim nächsten Mal schaue ich noch genauer hin, mit wem ich diese Tage verbringe. Und werde wohl wieder überrascht: Im Urlaub sind Familienmitglieder oder auch langjährige Freunde auf einmal ganz schön fremde Menschen. 

Text: Kerstin Lenz