Hand in Hand für den Frieden

Bericht aus Jerusalem

Hand in Hand für den Frieden

Sie ist das Flaggschiff eines einzigartigen Modellprojekts: An der «Max Reyne»-Hand-in-Hand-Schule in Jerusalem unterrichten arabisch- und hebräischsprachige Lehrerinnen und Lehrer Kinder aus allen Teilen der Stadt.

Muslime, Christen, Juden, von der Vorschule bis zum Abitur. Oberstes Gebot der Schule ist die Gleichberechtigung der lokalen Kulturen, Sprachen und Religionen. Der Erfolg der 1998 gegründeten Schule spricht für sich: Aus anfangs 50 Kindern in Jerusalem sind inzwischen sieben Schulen landesweit mit rund 2000 Schülerinnen und Schülern entstanden. In Jerusalem sind es inzwischen so viele, dass im vergangenen Sommer ein Ergänzungsbau für den Gymnasialzweig eingeweiht wurde.

Der Blick reicht über das jüdische Stadtviertel Pat und das arabisch geprägte Beit Safafa. Immer wieder gibt der verschachtelte Campus den Blick frei auf die Stadt. Die Architektur spiegele eine der Maximen der Schule wider, sagt Alex Zaslav, in der jüdisch-arabischen Organisation für Fundraising zuständig. «Was draussen passiert, soll in der Schule sichtbar sein, was in der Schule geschieht, das Aussen nähren.»

«Die Schule darf keine Blase sein», sind sich die jüdische Gymnasialrektorin Efrat Meyer und ihre muslimische Vizerektorin Angie Wattad einig. De facto seien die Kinder «kleine Botschafterinnen und Botschafter», die die Schule repräsentieren, wo immer sie unterwegs sind. In der komplexen Realität Jerusalems mit ihren Spannungen und Spaltungen müssen sie sich «tagein, tagaus erklären und rechtfertigen», sagt Meyer. Um die grosse Last auf den kleinen Schultern wissend, engagiert sich die Schule in gemeinschaftsbildenden Aktivitäten für Eltern und eine weitere Öffentlichkeit.

Als das Modellprojekt seinen Lauf nahm, gab es keine fertigen Lehrmaterialien oder Konzepte, sagt Alex Zaslav. Bis heute sei die Frage Alltag, wie in dieser speziellen Realität ein gemeinsames Unterrichten in «zwei Narrativen, Kulturen und Sprachen» so gelingen kann, dass es Raum für jeden Einzelnen und schliesslich gemeinsamen Raum für alle gebe – zusammen mit einer qualitativ guten Bildung. Immer wieder müsse das Konzept überdacht und angepasst werden, einfach sei der Alltag nie. 

«Wir haben uns darauf geeinigt, dass wir in vielem uneins sind», sagen Meyer und Wattad. Gemeinsam aber stehen sie für die Werte, die sie den «Führungskräften von morgen» auf den Weg geben wollen: Zuhören, den anderen, seine Sicht und seine Sprache kennenlernen und Empathie entwickeln, auch in der Meinungsverschiedenheit. Die Lehrenden seien dabei Rollenvorbilder. «Wenn ein Mensch von der anderen Seite des Konflikts zum Betreuer wird, ist das ein sehr wichtiger, ein heilender Moment», so Efrat Meyer.

In Vor-und Grundschule wird konsequent zweisprachig mit zwei Lehrern unterrichtet. Erst im Gymnasium wird je nach Fach in einer Sprache – Arabisch, Hebräisch oder Englisch – unterrichtet. In kritischen Fächern wie Sozialkunde oder Geschichte gilt auch in den höheren Klassen das Doppelprinzip, damit die verschiedenen Narrative einen gleichberechtigten Platz haben. Jeder, der sich diesem Ansatz aussetzen will, soll an der Schule einen Platz haben, unabhängig vom Einkommen der Eltern, notfalls durch ein Stipendium. 

Text: Andrea Krogmann