Den Tango mit seinen Rhythmen, seiner Leidenschaft und dem Bandoneon nahm Bacalov aus seiner Heimat Argentinien mit. Im Opernhaften wird sein Arbeits- und Lebensmittelpunkt Italien hörbar. Und den effektvollen Einsatz orchestraler Farben verdankt die «Misa Tango» Bacalovs Erfahrung als Filmkomponist. Er hat 1964 den Soundtrack von Pasolinis Jesusfilm «Il Vangelo secondo Matteo» verantwortet, die Musik des Italowesterns zusammen mit Ennio Morricone geprägt und für «Il Postino» wurde er mit einem Oscar dekoriert.
In viele Richtungen offen war Luis Bacalov aber auch in religiöser Hinsicht. Da er jüdischen Glaubens war, wollte er seine «Misa Tango» für alle Weltreligionen offen halten, um so «mehr Menschen die Teilnahme zu ermöglichen, die nicht in jeder Hinsicht denselben Glauben haben, und deshalb in der Messe die Züge Gottes hervorzuheben, die für Christen, Juden und Muslime Gültigkeit haben.»
Die expliziten Hinweise auf Jesus wurden aus den Texten entfernt und das Credo auf seine Kernbotschaft reduziert: «Ich glaube an einen Gott, den allmächtigen Vater, Schöpfer des Himmels und der Erde.»
Uraufgeführt wurde das manchmal monumentale, dann wieder ganz intime, aber immer mitreissend akzentuierte Werk am 2. April 1999 in Rom. Ein Jahr später erschien eine Aufnahme in der Originalbesetzung mit Plácido Domingo (Tenor), Ana María Martínez (Mezzo-sopran) und Héctor Ulises Passarella (Bandoneon) unter der Leitung von Myung-Whun Chung.