Sturmpalmen-Guetzli

Leben in Beziehung

Sturmpalmen-Guetzli

Schon immer habe ich in der Adventszeit sehr gerne Guetzli gebacken und mit meinem Hang zum Perfektionismus danach gestrebt, möglichst schöne Guetzli zu machen.

Wenn der Teig nicht richtig aus der Form kam oder sich nicht gut von der Arbeitsfläche löste, habe ich den halbschönen Stern wieder zusammengeknetet und von Neuem begonnen.

Jetzt sind unsere Kinder 3- und bald 6-jährig und in einem Alter, wo sie mithelfen wollen. Das ist sehr schön und inzwischen zu einem gemeinschaftlichen Ritual in der Adventszeit geworden. Nur musste ich schnell merken, dass die Kinder nicht die gleichen Ansprüche an ein schönes Mailänderli haben wie ich. Der ausgestochene Teig wird unsanft aus der Form hinausgedrückt. Wenn der Teig auf der Küchenablage kleben bleibt, wird an einer Ecke gezogen, bis der ursprüngliche Bethlehem-Stern eher einer Palme gleicht, die gerade einen gewaltigen Sturm überlebt hat. Zu Beginn konnte ich fast nicht zuschauen und habe unauffällig die ausser Form geratenen Guetzli wieder mit dem Teig zusammengeknetet und neu ausgewallt. Die Kinder wollen natürlich nicht nur ausstechen, nein, sie wollen auch selber den Teig auswallen. Und so überlasse ich ihnen das Wallholz.

Zuerst aber kneten sie den Teig in ihren Händchen, bis sich die Butter aus dem Staub macht und alles klebt. Danach wird der Teig ausgewallt, dass die linke Hälfte eher nach einer Focaccia aussieht und die rechte nach einem Flammkuchen, extra dünn. Danach werden Guetzli ausgestochen, deren Form ich nicht wiedererkenne, die wortwörtlich durch dick und dünn gehen und beim Backen für mich zur Herausforderung werden. Selbstverständlich wollen sie die Guetzli auch selber mit Ei bestreichen, wobei auch immer das Backpapier grosszügig mitbestrichen wird.

Meine Nerven wurden da immer sehr strapaziert. Ich wollte ihnen zeigen, wie man richtig schöne Guetzli machen kann. Aber Kinder in diesem Alter haben noch nicht die motorischen Fähigkeiten, einen anderen Blickwinkel und auch nicht die Ausdauer. Das habe ich in der Zwischenzeit gelernt. Deshalb lautet mein Rezept für Guetzle mit Kindern: 2/3 des Teiges verarbeite ich und 1/3 des Teiges überlasse ich den Kindern. Am besten ist es dann, wenn ich nicht ständig danebenstehe und zuschaue, weil es mich sonst unter den Nägeln juckt. Ich zeige ihnen, wie es geht und dann überlasse ich ihnen das Arbeitsfeld. Ich bin zwar in der Nähe, helfe aber nur, wenn sie rufen oder nicht weiterkommen. Sie haben Freude am Guetzle und können herzhaft über ihre lustigen Formen lachen. Und ich habe in der Zwischenzeit einen kurzen Blick in die Zeitung geworfen. Wenn es ums Aufräumen und Putzen geht, sind die Rollen wieder klar verteilt: das ist mein Job.

Text: Barbara Glanzmann