Dem «Nie wieder!» das Wort geben

Edito

Dem «Nie wieder!» das Wort geben

Solidarität mit jüdischen und muslimischen Mitmenschen braucht Worte und Taten. Ein Beispiel dafür war die Menschenkette gegen Antisemitismus und Muslimfeindlichkeit am Zürcher Lindenhof.

Ich stand auf dem Lindenhof mitten in Zürich – und war wieder an die Kraft der Worte erinnert. Jüdische und muslimische Menschen hatten eine Menschenkette organisiert, mehrere hundert waren gekommen. Wir alle setzten ein Zeichen gegen Antisemitismus und Muslimfeindlichkeit.

Was mich in diesem Moment stark berührte: Es waren Jüdinnen, Juden, Musliminnen und Muslime selbst, die sprachen. Sie sprachen in einer Klarheit, die mich erschütterte. Sie sagten «ich» und redeten nicht über andere. Sie sagten «und» und widersprachen sich nicht mit einem «aber». Sie solidarisierten sich miteinander: als zwei Minderheiten und als selbstbewusste Minderheiten.

Tage zuvor hatte mitten in Zürich ein junger Muslim einen Juden mit einem Messer attackiert und spitalreif verletzt. Ich fühlte mich ohnmächtig, als ich davon las. Was war hier über unsere Stadt eingebrochen – und wer könnte der begonnenen Gewalt etwas entgegenhalten?

Worte können es. Denn Worte schaffen Realitäten, Worte gehen Taten voraus. Jedes klare Wort in Solidarität mit unseren jüdischen und muslimischen Mitmenschen in dieser Stadt und auf dem Erdball macht einen Unterschied. Jedes Benennen von antisemitischen oder muslimfeindlichen Tendenzen. Es liegt an jeder und jedem, dem «Nie wieder!» das Wort zu geben.

Text: Veronika Jehle